Höllenbote Angela
wen du vor dir hast?«
Raoul nickte.
»Sprich es aus!« forderte sie.
»Du bist ein weiblicher Vampir.«
»Richtig, mein Freund. Ich bin eine Braut der Dunkelheit. Ich bin ein weiblicher Höllenbote, denn ich habe wie der Teufel das ewige Leben. Ich werde alt werden. Ich werde die Jahrhunderte überdauern, denn das Blut der Menschen, dieser herrliche Saft, wird immer vorhanden sein.«
»Man kann dich pfählen!« Der Satz rutschte ihm heraus. Er gefiel Angela nicht, denn er hörte das böse Knurren. »Wer sollte mich pfählen? Du etwa?«
»Nein, nicht, gar nicht.«
»Eben. Kennst du sonst noch einen?«
»Auch nicht.«
»Deshalb bin ich unsterblich. Ich werde alle Menschen überleben, denn auch mich hat man das Überleben gelehrt. Niemand hat damit rechnen können. Niemand wußte, wer sich hinter Angela Sarti wirklich verbirgt. Aber ich weiß es, und ich weiß es verdammt genau, Raoul. Und ich werde mich von keinem Menschen auf meiner Rachetour stoppen lassen. Big Smith hat seine Neugierde bereits mit dem Tod bezahlen müssen, und als nächster bist du an der Reihe. Aber für dich habe ich mir etwas ganz Besonderes aufgehoben, obwohl du es eigentlich nicht verdient hast, Raoul.«
Er war zwar angesprochen worden, aber er hatte nicht richtig hingehört, weil sich seine Gedanken in andere Richtungen bewegt hatten. Angela hatte von einem Toten gesprochen. Das konnte er nicht unterschreiben. Er brauchte sich nur umzusehen, um Denise und Roger zu sehen.
»Du hast dich geirrt«, flüsterte er in das Vampirgesicht hinein. »Du hast dich, verdammt noch mal, geirrt. Es ist nicht nur ein Toter gewesen, es sind drei. Meine Schwester und mein Schwager sind…«
»Ja, ich habe sie geopfert. Ich habe sie mit meinem Messer getötet. Es war ganz einfach.«
In Raouls Magen drehte sich ein Klumpen zusammen. »Wie ganz einfach? Was haben die beiden dir denn getan? Nichts…«
Sie antwortete mit einer Gegenfrage. »Was habe ich dir denn getan, Raoul? Du hast mich erschossen. Du hast keine Fragen gestellt. Du hast einfach nur getan, was man dir befohlen hatte. Du bist jemand, der sein eigenes Denken ausgeschaltet hat. Und das ist nicht gut. Aber du wirst dafür bezahlen.«
»Willst du mich auch abschlachten?« brüllte er sie an.
»Nein. Du hättest zuhören sollen, denn dein Schicksal sollte dir bekannt sein. Ich brauche wieder Blut. Und diesmal werde ich es mir nehmen wie ein echter Vampir.«
Sie brauchte nichts weiter zu erklären. Er wußte auch so, was sie damit gemeint hatte. Vampire hackten ihre Blutzähne in die Halsschlagader eines Menschen, um sich an seiner Lebenskraft zu laben. Sie leerten ihn bis zum letzten Tropfen, und der Blutleere selbst ging ebenfalls ein in das Reich der Schatten.
Für ihn gab es nur noch eines. Flucht! Das Entkommen aus dieser Bluthölle.
Er drehte sich um. Aber nicht, um wegzulaufen, er holte nur ans, und dann drosch er aus der Bewegung heraus zu.
Diesmal schoß er nicht. Die Waffe hämmerte in das Gesicht der Untoten. Sie traf auch die Stirn, und Raoul hörte einen dumpfen Laut. Der Schlag war mit großer Wucht geführt worden. Er trieb die Blutsaugerin zurück, die ihre Arme spreizte, weil sie an den Wänden nach Halt suchte, um das Gleichgewicht zu bewahren. Das schaffte sie nicht. Raoul sah, wie sie kippte, da aber befand er sich bereits in einer Drehbewegung. Er wollte zur Tür und aus dem Haus verschwinden.
Er hätte es sogar geschafft, aber das Schicksal war in Form eines uralten Tricks gegen ihn. Den Boden bedeckte hier ein schlichter Läufer.
Angela Sarti lag genau dort, wo der Teppich aufhörte oder begann. Sie zerrte zweimal heftig am Ende des Teppichs, der unter den Füßen des Flüchtenden ruckte und dann wegglitt.
Barnes konnte sich nicht mehr halten. Es sah schon lächerlich aus, wie er die Arme in die Höhe riß, dabei nach vorn fiel und wuchtig gegen die Innenseite der Tür prallte. Ausgerechnet mit der Stirn zuerst. Der Aufprall war hart. Er sah plötzlich die berühmten Sterne oder Funken, die tanzten, als wären Wunderkerzen angezündet worden. Halten konnte er sich nicht mehr. Er fiel auf den Bauch, sein Gesicht schlug noch einmal auf. Auch der Teppich dämpfte nicht viel ab. Aus der Nase rann plötzlich Blut.
Das Schicksal stand weiterhin auf der Seite der Untoten, die sich normal erhob, als wäre sie von keinem Schlag getroffen worden. Sie stand auf, während sich der Wirt schwerfällig auf die Seite drehte und dabei mit den Schmerzwellen in seinem Kopf zu
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