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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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eine
Beleidigung des allgemeinen Taktgefühls.
    »Neben meinem Dank für die gute und verantwortungsvolle
Berichterstattung über unseren Bürgermeister«,
sagte Gróa, »möchte ich fragen, ob ihr Interesse
hättet, einen Fotografen hierherzuschicken, um festzuhalten,
wie unverschämt der Mann ist. Er stellt seine Verbindung mit
dem Pornoschuppen am helllichten Tag zur Schau.«
    Als Gróa ihre Beschreibung des Fotomotivs abgeschlossen
hatte, dankte Teitur ihr für die Informationen und machte sich
auf den Weg. Eine solche Gelegenheit wollte er nicht verpassen. Der
Bürgermeister hatte kürzlich gedroht, >Menschen und
Meldungen<, also Teitur als verantwortlichen Chefredakteur,
wegen haltloser Hetze auf Schadensersatz zu verklagen. Teitur hatte
nämlich ein Foto des Bürgermeisters veröffentlicht,
auf dem dieser zwei Stripperinnen an der Bar des Octopussy im Arm
hielt und gelinde gesagt trübe Augen hatte. Leider wusste
Teitur nicht, wer das Foto gemacht hatte. Es war der Redaktion
anonym zugeschickt worden und die Auflösung ließ
vermuten, dass es mit einer Handykamera gemacht worden war. Der
Bürgermeister behauptete, das Foto sei gefälscht, er
wäre noch nie im Octopussy gewesen und schon gar nicht
hätte er die Stripperinnen des Lokals berührt, von denen
er sagte, dass sie ihm mithilfe der Software Photoshop in die Arme
gelegt worden seien. »Ich bin in einer Viertelstunde
da«, sagte Teitur Jónsson zu Gróa und
fügte hinzu: »Danke, dass du mir Bescheid gesagt
hast«, obwohl Dankbarkeit nicht seine stärkste Seite
war.   
     
    *****
    Zwischen dem Ende des Telefongesprächs und der Ankunft von
Teitur Jónsson mitsamt der Fotografin des Magazins, die vor
Entsetzen über den Kamikaze-Fahrstil des Redakteurs
leichenblass war und aus dem Auto flüchtete, sobald es stehen
blieb, waren nur zwölf Minuten vergangen.
    »Fotografier, Junge, fotografier«, sagte Teitur und
vergaß, dass der Fotograf eine Frau war. »Wir
dürfen das nicht verpassen.«
    »Ganz ruhig«, sagte die Fotografin. »Das Auto
bewegt sich überhaupt nicht. Der Motor läuft nicht
mal.«
    Die Bemerkung war korrekt. Der Motor lief nicht.
    Was die Hektik des Redakteurs ausgelöst hatte, war, dass man
durch die getönten Scheiben jemanden am Steuer erkennen
konnte. Dieser Fahrer schien auf irgendetwas zu warten. Er
saß reglos und blickte nicht einmal in Richtung der
Fotografin, die sich näherte und ununterbrochen auf den
Auslöser drückte.
    Teitur hielt sich in einiger Entfernung, erinnerte sich daran, dass
Elli vom Octopussy ihm gedroht und geraten hatte, ihm niemals unter
die Augen zu kommen, sofern ihm seine Gesundheit lieb sei. Er
wollte gern wissen, wer im Auto saß. Wenn es irgendein
Chauffeurstyp war, wies das darauf hin, dass Elli drin beim
Bürgermeister wäre, was wiederum die Möglichkeit
eröffnete, ein Foto von beiden zusammen an der Haustür zu
bekommen. Die Fotografin war wagemutiger als Teitur und
näherte sich dem Auto, wie es schien, furchtlos. Teitur war
zufrieden mit diesem Mädchen, das eines Tages mit der Kamera
in der Redaktion erschienen war, um ihm mitzuteilen, dass sie sich
gerade selbst als Praktikantin bei >Menschen und Meldungen<
eingestellt habe. Sie machte zwar keine guten Bilder, aber sie war
beherzt und hatte vor niemandem Respekt. Er wusste gerade nicht,
wie sie hieß, meinte sich aber zu erinnern, dass sie Systa
genannt wurde.
    Die Fotografin Súsanna, genannt Sússa, war ganz
sicher, dass mit dem im Hummer sitzenden Mann, der sich nicht im
Geringsten bewegte, etwas nicht stimmte. Er blickte nicht einmal in
ihre Richtung, als sie sich schräg vor dem Auto aufstellte und
mit Blitzlicht fotografierte. Sie beschloss, ihn näher
anzusehen. Die seitlichen Scheiben waren rauchfarben getönt,
aber die Windschutzscheibe war klar. Sie betrachtete den Fahrer,
der ein bisschen zusammengesunken dasaß und auf die
Straße vor dem Auto zu schauen schien. Zu ihrer Verwunderung
sah sie, dass es eine Frau war. Sie saß still wie eine
Statue. Plötzlich wurde Sússa bewusst, dass die Ruhe
der Frau unnatürlich war.
    Sie schien weder zu atmen noch zu blinzeln.
    Sússa klopfte an die Scheibe. Die Frau rührte sich
nicht.
    Sússa wollte die Tür öffnen, aber sie war
verschlossen. Sie rief nach Teitur.
    »Komm her, komm mal. Irgendetwas stimmt nicht mit der
Frau.«
    Teitur gehorchte und näherte sich vorsichtig, war aber bereit,
sofort die Flucht zu ergreifen, sollte der Fahrer sich anschicken,
ein Lebenszeichen von sich zu geben

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