Hoellenflirt
auf die Uhr. Es ist kurz nach zehn. Wieder versuche ich es auf Valles Handy, wieder erreiche ich nur die Mailbox.
Ich zögere noch einen winzigen Moment, doch dann greife ich nach meiner Jacke und gehe aus dem Haus.
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»L. war schon vorbereitet und wir begannen sofort mit der Zeremonie. Wie immer hielt ich mich im Hintergrund und beobachtete die Gruppe.«
U nterwegs versuche ich, so logisch wie möglich nachzudenken, aber das einzige Ergebnis, zu dem ich immer wieder komme, ist dieses: Der Schlüssel hat mit dem Geheimnis zu tun, das Valle mir nach der Messe verraten wollte.
Obwohl die U-Bahnen heute alle pünktlich sind, kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich sein Haus im Lehel erreicht habe.
Ich klingle Sturm, aber es rührt sich nichts. Offensichtlich ist er noch nicht zu Hause. Ich fummle den Schlüssel aus dem Geheimversteck.
Für das Haustürschloss passt er schon mal nicht, aber das habe ich auch nicht wirklich erwartet, schließlich hat Valle gesagt, ich soll herausfinden, wozu er gehört. Außerdem hat die Haustür eines so prächtigen Hauses mit mehreren Anwalts-und Steuerkanzleien natürlich ein Sicherheitsschloss.
Ich klingle alle Kanzleien durch, bis endlich jemand öffnet.
Renne die breiten Marmorstufen zu dem alten Holzfahrstuhl hoch, steige ein, betrachte die Klapptür.
Plötzlich sehe ich Thors Hände, wie sie in der letzten Sekunde vorm Schließen die eisernen Aufzugtüren im Parkhaus umklammern, halte unwillkürlich die Luft an, starre auf die Tür. Es ist still, nichts passiert.
Da höre ich, wie die schwere Haustür geöffnet wird und jemand direkt zum Aufzug gelaufen kommt.
Schnell quetsche ich mich in die Ecke der winzigen Kabine.
Ein Mann in schwarzem Anzug und rosa Hemd steigt ein, mustert mich abschätzig, murmelt schließlich trotzdem »Guten Morgen«, wendet mir den Rücken zu, stellt seinen Aktenkoffer zwischen seinen Beinen auf den Boden und klappt dann die Türen mit den Händen auseinander.
Sofort ruckelt der Aufzug los. Der Mann bleibt mit dem Rücken zu mir stehen, was gut ist, denn ich starre ihn fassungslos an.
Ich habe glatt vergessen, dass der Aufzug zu alt ist, um automatisch zu funktionieren. Als der Mann im dritten Stock aussteigt, Steuerkanzlei Strickmann & Partner, kann ich immer noch nichts sagen, nur ein »Danke« stammle ich leise, schließe die Türen und fahre weiter nach oben.
Ich hole den Schlüssel aus meiner Gürteltasche und nähere mich der Haustür. Vorsichtshalber klingle ich erst noch einmal.
Das Klingeln kommt mir merkwürdig laut vor.
Ich versuche, den Schlüssel ins Schloss zu stecken.
Er passt nicht. Doch als ich den Schlüssel wieder wegziehe, geht die Tür auf. Einfach so, wie in Zeitlupe.
Rasch verstaue ich den Schlüssel im Gürtel und trete auf Zehenspitzen in den Flur.
Und was ich dann sehe, kann ich erst mal nicht begreifen. In der Wohnung herrscht eine schreckliche Unordnung – nein, keine Unordnung. Zerstörung! Chaos!
Überall sind Scherben von zerbrochenen Keramikfiguren, das Bücherregal ist umgeworfen, das Sofa aufgeschlitzt, der Monitor des Fernsehers zertrümmert.
»Valle?« Oh Gott, Valle!
Ich rufe lauter: »Valle?« Dann renne ich vom einen Zimmer zum nächsten, voller Panik, Valle im gleichen Zustand wie seine Möbel vorzufinden.
Vor der Schlafzimmertür zögere ich einen Moment, plötzlich habe ich Angst, diejenigen, die das hier getan haben, könnten noch in der Wohnung sein. Nein, nein, schau nach! Mit einem Ruck reiße ich die Tür auf.
In dem Zimmer sieht es noch schlimmer aus als in der restlichen Wohnung.
Die Matratze wurde an vielen Stellen brutal aufgeschlitzt, die Federn der zerschnittenen Kopfkissen fliegen bei jeder Bewegung, die ich mache, durch die Luft.
Das Einzige, was nicht zerstört wurde, ist der Wandbehang mit dem riesigen Baphomet. Der bösartige Ziegenbockkopf scheint sich prächtig zu amüsieren. Am liebsten würde ich ihn runterreißen und auf ihm herumtrampeln.
Wenn die Vandalen den heil gelassen haben, dann kann das ja nur eins bedeuten. Es war einer von den Satanisten.
Warum wundert mich das nicht? Ich weiß auch sofort, wonach sie gesucht haben, es ist sonnenklar. Natürlich nach dem Schlüssel – oder besser nach dem, was hinter dem Schlüssel verborgen ist.
Worum geht es hier wirklich? Drogen? Nein, das glaube ich nicht, Valle ist kein Dealer. Obwohl die Wohnung in diesem Haus bestimmt sehr teuer ist. Und ich nicht die leiseste Ahnung habe, wovon er lebt.
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