Hoellenflirt
Gesicht und ich hoffe, dass er Kati vielleicht zur Besinnung bringt.
»Kati, Kati!« Immer wieder flüstere ich ihren Namen.
So schleppen wir uns auf die Straße und ich gehe einfach mit ihr weiter, keine Ahnung, wohin ich eigentlich laufe, mir ist es egal, Hauptsache weg.
Plötzlich sehe ich, dass wir vor dem Ostfriedhof stehen. Ich schleppe uns zu einer Bank, dort setzen wir uns hin, auch wenn hier alles voller Schneematsch ist und es auch noch anfängt zu nieseln.
Mit klammen Fingern tippe ich den Notruf und behaupte, eine Nachbarin von Giltine zu sein, die schrecklichen Streit gehört habe, dann ein Krachen und jetzt käme nur mehr merkwürdiges Wimmern durch die Tür nebenan. Als sie meinen Namen wissen wollen, lege ich auf.
Katis Augen wirken etwas kleiner. Sie blinzelt und fängt an zu zittern. »Toni, was machen wir hier?«
Ich bin so erleichtert, dass mir Tränen in die Augen schießen.
»Mir ist so übel. Ich glaube, ich muss mich übergeben.«
»Atme tief durch, Kati, alles wird gut«, sage ich mit tränenerstickter Stimme.
»Was ist denn passiert?« Kati schaut mich an, dann steht sie auf, taumelt und erbricht sich in den Mülleimer neben unserer Bank.
Oh Mann. Wie gut, dass bei so einem Wetter niemand auf den Friedhof geht. Kati hängt kotzend über dem Mülleimer, mit ihren halb abrasierten Haaren sieht sie aus wie eine völlig Irre. Und das ist allein meine Schuld.
Ich krame in meiner Hosentasche nach einem Taschentuch, finde sogar ein frisches und reiche es ihr.
Sie tupft sich damit den Mund ab und setzt sich neben mich. »Ist mir schwindelig.« Kati greift sich an den Kopf, spürt dabei die Stoppeln. »Was . . .«, stammelt sie und tastet ihre Haare mit beiden Händen ab. »Nein!« Ihre Augen flackern mich an. »Toni! Was ist passiert?«
Ich erzähle ihr, was in der Wohnung geschehen ist. Je weiter ich komme, desto mehr schrumpft sie in sich zusammen und rutscht näher zu mir, wie um Trost zu suchen.
»Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass die alle so wahnsinnig sind.« Kati schüttelt den Kopf, was mit den halb abrasierten Haaren sehr merkwürdig aussieht. Sie stöhnt leise. »Niemals hätte ich dich dort allein reingehen lassen dürfen. Was machen wir denn jetzt?«
Ich ringe mir ein Grinsen ab. »Wie wäre es mit Friseur?«
Kati starrt mich an, als ob ich verrückt wäre, und genauso fühle ich mich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber dann muss ich einfach lachen, es ist alles so dermaßen absurd: Wir zwei sitzen hier auf einer nassen Bank beim Ostfriedhof, Valle wurde wer weiß wohin verschleppt und Katis prächtige Lockenmähne liegt oben in der Wohnung dieser Irren. Katis Mundwinkel verziehen sich nach oben. »Friseur . . .« Und dann lachen wir beide so lange, bis wir keine Luft mehr kriegen.
1 8
»Der echte Diener Satans zeigt nie sein wahres Gesicht, nur dann, wenn es ihm nutzt. Ich brauchte jemanden, der harmlos genug war, meine Tarnung zu komplettieren. Ein attraktives, aber nicht allzu kluges Mädchen, das ich als meine Freundin ausgeben konnte.«
S alon Becker steht da in altmodisch geschwungenen Buchstaben auf dem Schild. Dieser Friseurladen sieht gut aus. Zum Glück sind wir in Giesing, da gibt’s so etwas noch. Der Blick durch die Scheiben zeigt, dass hier die Zeit stehen geblieben ist: rosa Waschbecken und jede Menge Trockenhauben, die an der Wand befestigt sind. Wir sind uns einig, dass wir nicht zu einem stylishen Top-Hair-oder Hair-Fair-Laden wollen, weil wir gerade keine blöden Kommentare gebrauchen können.
Der Salon ist völlig leer. Eine ältere Dame mit blondiertem auftoupiertem Haar im Grace-Kelly-Style und blauem Polyesterkittel tritt hinter einem Vorhang hervor und nähert sich uns.
»Kann ich Ihnen helfen?« Da entdeckt sie Katis Haare und zeigt sofort auf einen der weißen Plastikdrehstühle, die so alt sind, dass sie schon wieder modern wirken.
»Ach Gottchen, das sieht ja, also wirklich...«Sie beißt sich auf die Lippen, holt einen schwarzen Umhang und legt ihn Kati um. Damit sieht sie noch blasser aus.
Ich habe das Gefühl, ich sollte erklären, was mit Katis Haaren passiert ist. Sonst denkt die Friseurin noch, ich wäre dafür verantwortlich. »Sie hat eine blöde Wette verloren...«
»Ja gell, in dem Alter macht man so was.« Die Friseurin lächelt und kämmt mit einem Stielkamm die restlichen Haare auf der linken Seite. »Jammerschade, so wunderschönes Haar. Ja, da traue ich mich gar nicht zu fragen, was für eine Frisur ich Ihnen
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