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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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überzeugte sich davon, daß sie nach wie vor von
niemandem beobachtet wurde, und kroch dann mit den Füßen
voran hinein. Falls sie auf der anderen Seite nicht weiterkam,
konnte sie dadurch leichter zurückgelangen.
    Julia wußte sehr wohl, daß sie nach wie vor auf der Hut sein
mußte. Der einsame Wachposten, die schummrige Beleuchtung
und der verwahrloste Zustand dieser Fabrik hatten überhaupt
nichts zu bedeuten - vielleicht wollte Qin Shang genau diesen
Eindruck erzeugen. Und ihr war auch klar, daß man sie
möglicherweise die ganze Zeit mit Infrarotkameras beobachtete.
Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Trotzdem durfte sie Qin
Shangs Sicherheitsvorkehrungen nicht unterschätzen, nicht
wenn das hier tatsächlich eine Sammelstelle für illegale
Einwanderer war.
    Ein breitschultriger Mann wäre in dem engen Rohr vermutlich
nicht weit gekommen, aber Julia hatte sogar noch ein paar
Zentimeter Spielraum. Zunächst war zu ihren Füßen alles
schwarz, doch nachdem sie sich um eine Krümmung
herumgewunden hatte, sah sie eine Wasserfläche, in der sich
Mondlicht spiegelte. Sie landete in der zentimetertiefen
Schlammschicht am Grunde eines betonierten Grabens, der rund
um das Lagerhaus führte und das vom Dach strömende
Regenwasser ableitete.
    Sie hielt inne, blickte nach links und rechts. Weder Sirenen
noch Wachhunde, auch keinerlei Scheinwerfer. Offenbar hatte
man sie bislang noch nicht entdeckt. Sie schlich an dem
Gebäude entlang, suchte einen Zugang, drückte sich dicht an die
moosbewachsenen Mauern und überlegte, in welche Richtung
sie gehen sollte. Bei den Bahngleisen gab es keinerlei Deckung,
und außerdem stand sie dort im Licht. Auf der anderen Seite
indessen konnte sie sich im Schütze eines Zypressenhains
vorarbeiten. So leise wie möglich schlich sie weiter, stets darauf
achtend, daß sie nicht über das Gerumpel stolperte, das ringsum
herumlag.
    Ein Gebüsch versperrte ihr den Weg. Julia kroch darunter
hindurch, tastete sich vorwärts und spürte eine steinerne Stufe,
die nach unten führte, dann eine zweite. Sie kniff die Augen
zusammen, spähte hinab in die Dunkelheit und stellte schließlich
fest, daß hier eine Treppe in den Keller der Fabrik führte. Die
Stufen lagen voller Müll und Unrat, über die sie vorsichtig
hinwegsteigen mußte. Unten stieß sie auf eine massive
Eichentür, die man einstmals vermutlich nicht einmal mit einer
Ramme hätte aufbrechen können. Aber mittlerweile waren die
Angeln in der feuchten Luft verrostet, so daß sie lediglich
kräftig dagegentreten mußte, um sie so weit aufzustoßen, daß sie
sich hindurchzwängen konnte.
    Julia warf einen prüfenden Blick in den betonierten Gang,
bevor sie ihn betrat. Am anderen Ende, schätzungsweise
fünfzehn Meter entfernt, schimmerte ein schwacher Lichtschein.
Tiefe Lachen, teils Regen-, teils Kondenswasser, standen am
Boden des stickigen Ganges. Sie mußte Müllberge und alte
Möbel umgehen, die offenbar bei der Stillegung der Fabrik in
den Gang geworfen worden waren, und stets darauf achten, daß
sie keinen Lärm machte. Noch vorsichtiger wurde sie, als sie in
den schummrigen Lichtschein trat, der durch das Fenster einer
schweren Eichentür am anderen Ende des Ganges fiel.
Vorsichtig drehte sie am Knauf. Wider Erwarten ließ sich die
Tür mühelos öffnen, so als sei sie tags zuvor geölt worden.
Langsam drückte sie sie eine Spalt weit auf.
    Dann trat sie leise und auf alles gefaßt einen Schritt vor. Sie
erstarrte zunächst, kam sich vor, wie in ein anderes Zeitalter
versetzt, als sie die schweren Eichenmöbel sah und die
Büroausstattung, alles tadellos sauber, ohne ein Staubkorn oder
eine Spinnwebe - genauso, wie es zu Anfang des zwanzigsten
Jahrhunderts ausgesehen haben mochte.
    Doch sie war in eine Falle gelaufen. Entsetzt hörte sie, wie die
Eichentür hinter ihr ins Schloß fiel. Und dann kamen hinter dem
Raumteiler, der zwischen Arbeitsbereich und Sitzecke stand,
drei Männer hervor. Alle drei trugen Anzüge, zwei hatten
außerdem Aktenkoffer in der Hand, so als kämen sie soeben von
einer Vorstandskonferenz.
    Bevor sie das Funkgerät einschalten konnte, hatten sie ihre
Arme gepackt und ihr einen Streifen Klebeband über den Mund
gepappt.
    »Du bist ausgesprochen hartnäckig, meine liebe junge Ling
Tai, oder soll ich Sie lieber Julia Lee nennen?« sagte Ki Wong,
Qin Shangs Chefaufseher, und grinste sie an wie der
Leibhaftige, »Sie können sich gar nicht vorstellen,

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