Hoellenglanz
nach unten, ein Arm in einem Jackettärmel. Dann bewegten sich die Finger, bogen sich wie Klauen, drehten sich in meine Richtung, zu derjenigen, die ihn beschworen hatte und …
Und ihn zurückschicken wird. Jetzt!
Ich kniff die Augen zusammen und stellte mir den Mann vor, eine unbestimmte Gestalt in einem Anzug. Ich stellte mir vor, wie ich die Seele freigab, ihr eine Bitte um Verzeihung mit auf den Weg gab, ihn zurückschickte …
»Gut«, flüsterte Tori neben mir. »Er hat aufgehört, sich zu bewegen. Er … Nein, warte. Mach weiter. Mach … Okay. Hat aufgehört.« Eine Pause. »Immer noch aufgehört.« Ihre Stimme klang atemlos vor Erleichterung. »Du hast’s geschafft.«
Vielleicht, aber ich würde die Augen nicht öffnen, um es zu überprüfen. Tori ging, um sich die Sache genau anzusehen, und ich gab weitere Geister frei, stellte mir Leute im Anzug vor, Leute in Kleidern, Leute jeden Alters, die Geister von Tieren, Geister jeder Sorte, und während ich es tat, horchte ich – nicht nur auf die Schreie der Lebenden, sondern auf das Klopfen und Kratzen und Stöhnen der lebenden Toten.
Als ich schließlich die Augen öffnete, kam Tori wieder auf mich zu, wobei sie einen Bogen um die Kante der aufgerissenen Stelle schlug. Menschen säumten sie jetzt, starrten misstrauisch hinunter und warteten darauf, dass die Erde wieder in Bewegung geraten würde. Aber sie tat es nicht.
»Die Toten sind wieder tot«, murmelte Tori, als sie mich erreicht hatte. »Alles ruhig.«
Margaret stand mit den anderen bei dem Loch. Als ich sie rief, drehte sie sich langsam um, und als sich unsere Blicke trafen, sah ich Furcht in ihren Augen. Nein, nicht Furcht. Entsetzen und Abscheu.
Du bist nicht wie sie. Jetzt sieht sie es selbst – was du bist, was du tun kannst, und es macht ihr Angst. Ängstigt sie und widert sie an.
»Dumme Kuh«, murmelte Tori. »Ach ja, nehmen wir die Nekromantin mit den Superkräften doch mit auf den Friedhof. Nein, natürlich wirst du dabei keine Toten aufwecken, albernes kleines Mädchen.«
»Ich könnte jetzt sagen, ich hab’s ihr gezeigt, aber lieber wäre es mir, es wäre anders gekommen.«
Toris Lachen klang etwas wackelig. »Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen, bevor irgendjemand anfängt, Fragen zu stellen.«
»Aber nicht zu schnell. Wir dürfen auch nicht aussehen, als ob wir wegrennen wollten.«
»Stimmt.«
Als wir uns langsam in Bewegung setzten, gafften und starrten wir wie alle anderen – es hätte merkwürdig ausgesehen, wenn wir es nicht getan hätten. Wir starrten in das Loch hinunter. Wir spähten in den Himmel hinauf. Wir zeigten auf den zerbrochenen Sarg und flüsterten, und die ganze Zeit entfernten wir uns so schnell, wie wir es wagten, und versuchten auszusehen, als wären wir so schockiert und ratlos wie alle anderen Leute.
»Ihr Mädchen!«, rief ein Mann. »Moment!«
Ich drehte mich um und sah einen Mann in mittleren Jahren in unsere Richtung kommen. Ich versuchte Margarets Aufmerksamkeit zu erregen, ihr zu verstehen zu geben, dass wir möglicherweise in Schwierigkeiten waren, aber sie sah in die entgegengesetzte Richtung und überließ es uns, mit der Sache fertig zu werden.
[home]
13
A lles in Ordnung mit euch beiden?«, fragte der Mann.
Tori nickte. »Ich glaube schon.«
»Was war das?«, fragte ich. »Ein Erdbeben?«
Er nickte. »Sieht so aus. Und wir haben hier seit zwanzig Jahren nicht mal ein Zittern gehabt.«
Eine junge Frau in einem langen Ledermantel trat neben ihn. »Und würden auch jetzt keins haben, wenn sie diesen Steinbruch letzten Sommer nicht wieder in Betrieb genommen hätten.«
»Wir können keinem die Schuld geben, solange wir uns nicht sicher sind«, sagte der Mann.
»Oh, ich bin mir sicher. Es gibt schon Gründe, warum diese Umweltschützer den geschlossen halten wollten. Und einen Grund, warum man ihn überhaupt stillgelegt hat … nach den
letzten
Erdstößen, damals vor zwanzig Jahren. Glauben Sie, das ist ein Zufall? Diese ganze Wühlerei, mit der sie die teutonischen Platten durcheinanderbringen. Und jetzt seht euch das an …« Sie zeigte zu der aufgerissenen Stelle hinüber und verzog das Gesicht. »Der Steinbruchbetreiber wird für das hier zahlen müssen.«
»Ist alles okay mit den Leuten?«, fragte ich. »Ich habe gedacht, ich hätte jemanden schreien hören.«
»Oh, das war bloß …« Sie winkte zu dem Sarg hinüber, der immer noch offen auf dem Boden lag, umgeben von Trauergästen, von denen jeder
Weitere Kostenlose Bücher