Hoellenglanz
dass es mir noch schlechter geht, und glaub mir, da hast du echt eine Leistung vollbracht. Und heute Abend hast du so getan, als wäre das mit Simon ganz allein meine Schuld gewesen, dabei musst du doch gesehen haben, wie fertig ich war und wie schlecht ich mich gefühlt habe.« Ich holte tief Luft. »Nach der Raststätte und dem Weg hierher … ich hatte gedacht, wir wären Freunde.«
»Sind wir.«
»Nein.« Ich hielt seinen Blick fest. »Ganz offensichtlich nicht.«
Angesichts seines verwirrten, unglücklichen Gesichtsausdrucks fühlte ich mich fürchterlich, was mich nur noch ärgerlicher machte. Er hatte kein Recht, hier hereinzukommen, meine Unterstützung zu erwarten und in mir Schuldgefühle hervorzurufen, wenn ich mich weigerte.
»Chloe, bitte.« Er rieb sich mit der Hand über den Hals. Ich sah Adern und Sehnen zucken. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. »Es geht schneller dieses Mal.«
»Dann solltest du wirklich gehen.«
»Ich k-kann …« Er schluckte heftig und sah mich an. Das Fieber blitzte in seinen Augen so hell, dass sie zu leuchten schienen. »Bitte.«
Es war nicht das »Bitte«, das mich umstimmte. Es war die blanke Panik, die ich in seinen Augen sah. Er hatte Angst vor der Wandlung, vor der Unsicherheit, ob er sie zu Ende bringen konnte, ob die genetische Modifikation irgendetwas Unbeabsichtigtes bewirkt hatte und ob dies vielleicht der Grund dafür war, dass er es immer wieder durchmachen musste, nur um den nächsten Fehlschlag zu erleben.
Er hatte nichts davon jemals ausgesprochen, und vielleicht war ich ja wirklich ein Fußabtreter, aber ich konnte ihn nicht wegschicken und es ihn allein durchstehen lassen. Also griff ich nach meiner Jacke und den Turnschuhen.
»Da…«, begann er.
Ich schob mich an ihm vorbei zur Tür. »Gehen wir.«
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19
D raußen im Garten huschten wir von Schatten zu Schatten, nur für den Fall, dass jemand am Fenster stand und uns in den Wald verschwinden sah. Als wir den Waldweg erreicht hatten, blieb Derek neben mir und warf mir verstohlene Seitenblicke zu, immer noch mit diesem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck, der mich nur wütend machte – ich wollte kein schlechtes Gewissen haben. Was natürlich nichts daran änderte, dass ich eins hatte.
Ich wollte es endlich erledigt haben und zum Normalzustand zurückkehren. Aber wenn er mich ansah, brauchte ich mir nur den anderen Blick ins Gedächtnis zu rufen – den entsetzten Blick, als ich gesagt hatte, Simon glaubte, dass ich Derek mochte –, und jeder Wunsch nach Versöhnung war sofort vergangen.
»Du wolltest über das reden, was auf dem Friedhof passiert ist«, sagte er schließlich.
Ich antwortete nicht.
»Wir
sollten
reden«, beharrte er.
Ich schüttelte den Kopf.
Wir arbeiteten uns vorsichtig den Waldweg entlang. Ich versuchte zurückzubleiben, damit er mit seiner besseren Nachtsicht die Führung übernehmen konnte, aber er blieb neben mir.
»Als ich dich da angebrüllt hab, weil du ohne den Anhänger beschworen hast …«, sagte er.
»Schon okay.«
»Ja, aber … ich wollte bloß sagen, dass es keine schlechte Idee ist, es zu testen. Wir sollten versuchen …«
Ich wandte mich ihm zu. »Lass das, Derek.«
»Lass was?«
»Ich komme mit, weil du dich wandelst, und deswegen hast du jetzt das Gefühl, du musst mir im Gegenzug auch helfen.«
Er kratzte sich heftig am Arm. »Ich habe nicht …«
»Doch, du hast. Wir finden besser eine gute Stelle, bevor du mit der Wandelei mitten auf dem Weg anfängst.«
Er kratzte weiter, Blut quoll in dunklen Linien heraus. »Ich will einfach nur …«
Ich griff nach seiner Hand. »Du kratzt dich blutig.«
Er starrte auf seinen Arm hinunter und versuchte, sich zu konzentrieren. »Oh.«
»Komm schon.« Ich bog von dem Waldweg ab, auf die Lichtung zu, die ich am Abend entdeckt hatte.
»Ich hab gehört, was Andrew heute Morgen gesagt hat«, sagte er. »Über mich.«
»Ich hab mir schon gedacht, dass du das gehört hast«, antwortete ich leiser, als ich vorgehabt hatte. Dann räusperte ich mich und versuchte, meinen Ärger wiederzufinden.
»Er hat gar nicht so unrecht. Ich bin nicht …«
»Mit dir ist alles in Ordnung. Andrew ist ein Idiot«, blaffte ich. Wunderbar. Ich
hatte
meinen Ärger also wiedergefunden und prompt in die falsche Richtung geschickt. »Er irrt sich, okay? Du weißt das auch. Vergessen wir’s einfach.«
»Als ich da ausgerastet bin wegen dem Friedhof, hab ich … ich hab das nicht gewollt. Ich bin
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