Höllenherz / Roman
hält sich für Robin Hood.«
Diese Anspielung sagte Lor rein gar nichts. »Und er kommt damit durch?«
»Keiner legt sich freiwillig mit ihm an.«
Das werden wir ja sehen!
Lor rieb sich die Augen. Es war eine verteufelt lange Nacht gewesen. »Da ist noch etwas, das du wissen solltest, bevor du in drei Tagen nach Hause kommst.«
»Was?«
Lor erzählte ihm den Rest, ließ allerdings aus, dass Talia nebenan schlief. Danach schwieg Caravelli eine ganze Weile. »Ich versuche, einen früheren Flug zu bekommen.«
»Nein, beende deine Ferien wie geplant, und verdirb es nicht für deine Familie! Du müsstest nur die Königin bitten, dass sie später als geplant kommt. Sie könnte ein Ziel sein, und noch eines zu beschützen wird schwierig.«
»Ich rufe sie gleich an.« Caravellis Beziehung zu Omara war nicht unbelastet, aber er vertrat ihre Interessen. »Trotzdem würde ich lieber vor Ort sein und helfen.«
»Im Moment erledige ich nur Laufarbeit. Erhol dich! Ich unternehme hier nichts, solange ich nicht genau weiß, womit ich es zu tun habe. Ach ja, und hier schneit es übrigens wie verrückt. Der Flughafen dürfte sowieso gesperrt sein.«
Caravelli stieß einen Laut aus, der beinahe wie ein Seufzen klang. »Kann ich sonst irgendetwas tun?«
»Nein, das wäre alles. Ich melde mich, wenn ich Hilfe brauche.«
»Gut. Halt mich auf dem Laufenden!«
»Mach ich. Bye.«
»Bis dann.«
Lor überlegte, was er als Nächstes tun sollte, als er das Telefon hinlegte. Ihm wäre es sehr recht gewesen, wenn Caravelli früher zurückkäme, doch darauf konnte er nicht zählen. Nicht bei diesem Wetter.
Er war auf sich allein gestellt.
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14
Mittwoch, 29. Dezember, 14 Uhr 30
Spookytown
E in lateinische Worte verschmierendes Übel mochte die Stadt niederbrennen, trotzdem blieb Lor immer noch der Alpha seines Rudels. Und da es zwecklos war, Vampire bei Tageslicht zu befragen, und zu früh, als dass Errata Antworten gefunden haben könnte, wollte er den Nachmittag damit verbringen, Helvers Einbruch ins Wahlbüro auf den Grund zu gehen.
Lor stand an einer Straßenecke in der Innenstadt – oder zumindest an der Stelle, an der er die Straßenecke wähnte. Die Kantsteine waren unter dem Schnee verborgen, die Hydranten und Mülltonnen unter grotesk geformten weißen Hügeln versteckt. Es schneite nach wie vor, und die schweren Wolken sorgten mitten am Nachmittag für Zwielicht. Noch krochen die Busse die Hauptstraßen entlang, ohne steckenzubleiben, allerdings machte Lor sich wenig Hoffnung für morgen. Die Stadt hatte kaum Räumgerät zu bieten, und dieser Schneefall war beträchtlich.
Zum Glück konnte er jederzeit seinen Pelz aktivieren. Und genau das tat er jetzt, indem er seine menschliche Gestalt ablegte und in eine dunkle Nebelwolke tauchte. Für einen Moment, in dem unendlichen Raum zwischen Dämon und Nichts, erlebte er einen Kälteschock. Er wirbelte um die eigene Achse, angetrieben vom auffrischenden Wind. Es bedurfte einiger Kraftanstrengung, die Partikel seiner selbst zusammenzuhalten und zu einem Hund zu formen – Ohren, Pfoten, Schwanz, Nase und als Letztes den Körper mit dem großen Brustkorb. Schließlich löste sich der Nebelstrudel auf, und Lor schüttelte sich die Schneeflocken vom Rücken. Mit einem Satz startete er über die Schneewehen hinweg in Richtung jener Häusergruppe in der Innenstadt, wo das Zuhause der Höllenhunde lag.
Die Welpen sah er als Erstes, denn sie tollten durch den Schnee, rollten sich auf den weichen weißen Bergen und stieben mit ihren Schnauzen Schneeklumpen auf. Lor wurde langsamer, als sie ihn entdeckten und in Kreisen um ihn herumjagten. Die Kälte schienen sie gar nicht wahrzunehmen.
Woher haben Kinder bloß all diese Energie?
Spielerisch schnappte er nach einem vorbeifliegenden Stummelschwanz.
Fast war er versucht, den Kleinen nachzujagen, mit ihnen zu spielen, doch sein hellseherischer Sinn regte sich und veranlasste ihn, die Heron Street hinabzusehen. Sogleich wich jede Spiellust einer finsteren Ahnung. An der Kreuzung einen Block weiter stand eine Gruppe Hunde in Menschengestalt, die Hände in den Taschen vergraben.
In Spookytown gab es zwei Gruppen von Hunden: Lors eigenes Lurcher-Rudel und ein anderes, die Redbones. Als Lor mit seinen Verbündeten das Lurcher-Rudel aus der Burg befreite, hatten sie auch Redbones aus dem Kerker geholt. Beide Rudel hatten viele Opfer zu beklagen gehabt, und die Überlebenden beider Rudel hatten sich unter den Lurchers
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