Höllenjob für einen Dämon (German Edition)
Wahrheit zu sagen. Seine Hand fuhr an sein Kinn. An der Erdoberfläche bildeten sich ständig diese hässlichen Stoppeln, die kratzten und juckten. Bart nannte man es wohl.
„Was willst du hören, Evangelina?‟ Shatan entschied sich für Ehrlichkeit. „Soll ich dir sagen, dass in der Unterwelt die Sonne scheint, alle sich lieben und es keine Gefahren gibt? Verzeih, doch das kann ich nicht. Die Hölle ist ein Ort der Bestrafung. Es gibt andere Dämonen. Nicht jeder von uns sieht menschlich aus. Nicht alle sind nett. Manche sind grausam, weil ihre Aufgabe dies von ihnen verlangt. Sobald sie jedoch zu ihren Familien heimkehren, sind sie genauso freundlich wie einige Menschen. So gesehen unterscheidet sich unsere Kultur kaum von der, in der du aufgewachsen bist. Trotzdem herrscht in der Hölle ein Klima der Gewalt. Wir müssen uns tagtäglich behaupten.‟ Er holte Luft. „Ich mag die Unterwelt. Magst du wissen warum?‟
Sie nickte.
„Es gibt selten Überraschungen. Luzifer ist zwar eine herrische Person, aber sie weiß, wann sie zu weit geht. Wir erachten den freien Willen oftmals strenger als Gott es tut. Sie kennt diese Regel und hält sich daran.‟ Er nahm einen Schluck Wasser. „Meine Aufgabe ist es zu entscheiden, welche Seele in die Kerker zur unendlichen Bestrafung wandert, und wer ein gutes Leben als Diener der Unterwelt führen kann.‟
„Heißt das, nicht jeder wird bis ans Ende der Zeit gequält?‟
Nun lachte Shatan hart. „Nein. Auch wenn eure Geistlichen das gerne so sehen wollen. Lass mich dir ein Beispiel nennen. Vielleicht verstehst du es dann.‟ Er überlegte einen Augenblick.
„Es gab eine Frau. Sie wurde mit siebzehn vergewaltigt und schwanger. Ihr Vater verheiratete sie daraufhin gegen ihren Willen mit einem seiner Freunde, der sie schlug. Das Kind behielten sie, und sie konzentrierte all ihre Liebe auf den Jungen trotz des Umstands seiner Zeugung. Einige Jahre später starb der Ehemann, und sie fand kurz darauf einen neuen Gefährten. Die beiden verliebten sich, heirateten. Bald wurde sie erneut schwanger. Doch noch während der Schwangerschaft stellten die Ärzte fest, dass das Kind - ein Mädchen - behindert sein würde. Auch diesmal weigerte sich die Frau, abzutreiben. Sie war sehr gottesfürchtig. Sie ging regelmäßig zur Beichte, ertrug alle Schicksalsschläge mit einer Geduld, die manchem Engel gut zu Gesicht stünde. Dann erkrankte ihr Mann. Er welkte innerhalb kürzester Zeit vor ihren Augen dahin. Kein Gebet half. Er starb. Auf dem Weg von der Beerdigung war der Fahrer ihres Wagens etwas unaufmerksam. Sie wurden von einem Lastwagen gerammt.‟
Obwohl er vollkommen ruhig sprach, bewirkten seine Worte, dass Evangelina Tränen in die Augen traten. Vermutlich ahnte sie bereits, was folgen würde.
„Eins der Kinder war sofort tot. Das andere fiel ins Koma. Und wieder nahm die Frau ihr Schicksal hin. Ihr Glaube an deinen Vater war unerschütterlich. Jeden Tag saß sie am Bett ihrer Tochter. Sie weinte, flehte, betete. Niemand erhörte sie.
Als dann jemand kam und ihr versprach, er könne das Mädchen retten, aber die Operation würde viel Geld kosten, verkaufte die Frau all ihren Besitz. Ihr blieb nur das, was sie auf dem Leib trug. Ihr gesamtes Vermögen ging an den Mann, der ihr Kind heilen sollte. Doch er war ein Betrüger. Er nahm, was sie ihm überreichte, und verschwand. Einen Monat später starb ihre Tochter. Nun war die Frau alleine. Kein Ehemann, keine Kinder, weder Haus noch Geld. Also stürzte sie sich vom Dach des Krankenhauses. Sie kam zu uns.‟
„Aber Gott hat schon viele Menschen mit derart schwierigen Aufgaben gestraft, oder?‟
„Stimmt. Nur hat keines seiner Opfer gewagt, sich das Leben zu nehmen. Selbstmord ist eine Todsünde. Sie hätte auch leiden und im hohen Alter sterben können. Dann wäre ihr der Weg nach Gan Eden sicher gewesen. Gleichwohl hielt sie den Schmerz nicht mehr aus. Sie wurde in die Kessel geworfen, um bis ans Ende der Zeit bestraft zu werden.
Luzifer hat allerdings bestimmt, dass jede Seele angehört werden muss. Als die Frau mir erzählte, was sie bereits alles erdulden musste, entließ ich sie in die Dienerschaft in der Unterwelt.‟
„Woher wusstest du, dass sie die Wahrheit sagte? Vielleicht kannte oder ahnte sie die Regeln und hat dich belogen.‟ Evangelina hatte sich vorgebeugt und die Ellbogen auf die Knie gestemmt. Ihr Kinn ruhte in ihren Handflächen, während sie ihm gebannt zuhörte.
Shatan schüttelte den Kopf. Es
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