Hoellennacht
Nightingale nun allen drei Polizisten an einem Metalltisch gegenübersaß, der am Boden festgenietet war. Auf einem Regal an der Wand über dem Tisch stand ein digitales Aufnahmegerät, und hinten oben in der Ecke hing eine Videokamera.
Chalmers nickte Evans zu, der das Aufnahmegerät anschaltete. » Superintendent Ronald Chalmers verhört Jack Nightingale.« Er blickte auf die Wanduhr. » Es ist jetzt vierzehn Uhr fünfzehn am Freitag, dem zwanzigsten November, und bei mir sind…«
Er nickte Evans zu.
» Detective Inspector Dan Evans.«
» Detective Constable Neil Derbyshire.«
» Wenn wir nur miteinander reden, warum wird das dann aufgezeichnet?«, fragte Nightingale.
» So lauten die Vorschriften«, antwortete Chalmers.
» Darf ich rauchen?«
» Nein, dürfen Sie nicht«, antwortete der Superintendent.
» Aber ich bin nicht verhaftet?«
» Nein, sind Sie nicht.«
» Ich kann jederzeit gehen?«
» Sie helfen uns bei unserer Untersuchung zum Tod von Barry O’Brien.«
» Nur um das einmal festzuhalten«, sagte Nightingale. » Ich bin hier, um zu helfen.«
» Geburtsdatum«, sagte Chalmers.
» Wie bitte?«
» Ihr Geburtsdatum, fürs Protokoll.«
» Ich bin zweiunddreißig und werde Freitag, den siebenundzwanzigsten, dreiunddreißig. Das ist in einer Woche.«
Evans und Derbyshire kritzelten in ihre Notizbücher.
» Sie brauchen mir kein Geschenk zu besorgen«, sagte Nightingale.
» Was haben Sie heute Vormittag in Barry O’Briens Haus gemacht?«
» Ich wollte mit ihm sprechen.«
» Also sind Sie eingebrochen?«
» Die Haustür war offen.«
» Sie sind unaufgefordert eingetreten? Trifft es das richtig?«
» Die Tür war angelehnt. Ich habe sie nur aufgestoßen. Dann bin ich nach oben gegangen und habe die Leiche gefunden.«
» Warum sind Sie nach oben gegangen?«
» Um zu sehen, ob er da war.«
» Aber Sie hatten doch schon bei ihm angerufen, Sie wussten also, dass er nicht im Haus war.«
» Ich dachte, dass er vielleicht schläft.«
Chalmers lehnte sich zurück. » Und warum sind Sie dann nicht einfach weggegangen und ein andermal wiedergekommen?«
» Ich weiß nicht«, antwortete Nightingale. » Ich dachte einfach…«
» Ja? Was dachten Sie?«
» Ich dachte, dass vielleicht irgendwas nicht stimmt.«
» Und warum haben Sie dann nicht die Polizei gerufen? Warum sind Sie in sein Haus eingebrochen?«
» Ich bin nicht eingebrochen«, erklärte Nightingale. » Ich hatte Ihnen schon gesagt, dass die Haustür nur angelehnt war. Dann habe ich die Fliegen gehört.«
» Die Fliegen?«
» Er war schon eine Weile tot. Er war von Fliegen bedeckt. Ich habe sie im Flur summen gehört.«
» Und worüber wollten Sie mit Mr. O’Brien sprechen?«
Nightingale seufzte. Diese Frage war schwer zu beantworten.
» Sie haben die Frage verstanden, Mr. Nightingale?«
» Ja. Ich wollte einfach nur mit ihm sprechen.«
» Worüber?«
» Über das, was Robbie zugestoßen ist.«
» Sie meinen damit Inspector Robert Hoyle?«
» Robbie Hoyle«, verbesserte Nightingale ihn. » Kein Mensch hat ihn Robert genannt.«
» Sie wollten mit Mr. O’Brien sprechen, weil er für den Tod Ihres Freundes, Inspector Hoyle, verantwortlich war?«
» Ich denke, ja.«
» Sie denken, ja?«
Nightingale warf die Hände hoch. » Das klingt bei Ihnen so, als hätte ich irgendwelche finsteren Absichten gehabt. Ich wollte einfach nur mit ihm sprechen.«
» Worüber denn genau?«
» Über das, was passiert ist. Wie Robbie gestorben ist.«
» Aber das, was passiert ist, ist kein Geheimnis. Es war ein Verkehrsunfall. Was sollte Mr. O’Brien denn Ihrer Meinung nach sagen? Wollten Sie, dass er sich entschuldigt? Wollten Sie, dass er Reue zeigt?«
» Nein«, antwortete Nightingale einfach.
» Und als er nicht reuig war, hat Sie das wütend gemacht?«
» Er war tot, als ich dort hinkam«, sagte Nightingale.
» Sie machen es sich allmählich zur Gewohnheit, über Tote zu stolpern, oder?«, fragte Chalmers.
Nightingale antwortete nicht.
» Kommen Sie schon, Jack, spielen Sie nicht den Schüchternen. Sie haben Ihre Tante und Ihren Onkel tot aufgefunden, nicht wahr? Erst vor ein paar Tagen. Im Bezirk Manchester.«
» Mein Onkel hat meine Tante erschlagen und sich dann selbst erhängt. Ich war Sonntag bei ihnen zum Essen eingeladen.«
» Nach den Unterlagen der Polizei von Manchester haben Sie ein Fenster eingeschlagen, um hineinzukommen. Mit einem Spaten.«
» Die Katze war mit Blut beschmiert«, sagte
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