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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nach oben und nahm ein Buch heraus. »Hier ist es. Das bist du.«
    Ich betrachtete das Buch misstrauisch. Wie alle anderen war es übergroß, in eine Art graues Leinen gebunden, alt, aber vielleicht nie gelesen. Es sah eher nach einem Schulbuch aus als nach einem Roman oder einer Biografie. Mir fiel auf, dass es weniger Seiten hatte als viele der anderen.
    »Ist es das?«, fragte ich.
    »Allerdings.« Es schien den Bibliothekar zu enttäuschen, dass ich so wenig beeindruckt war.
    »Das ist mein ganzes Leben?«
    »Ja.«
    »Mein ganzes bisheriges Leben…«
    »Das bisherige und das zukünftige bis zu deinem Ende.«
    Bei diesem Gedanken schwirrte mir der Kopf. »Steht da auch, wann ich sterbe?«
    »In diesem Buch steht alles über dich, Matt«, erklärte der Bibliothekar geduldig. »Auf seinen Seiten findest du alles, was du je getan hast, und alles, was du noch tun wirst. Willst du wissen, wann du das nächste Mal auf die Alten treffen wirst? Du kannst es hier nachlesen. Und ja, hier steht auch genau, wann und auf welche Weise du stirbst.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass jemand alles aufgeschrieben hat, was mir passiert, bevor es passiert?« Natürlich war das genau das, was er gerade gesagt hatte, aber ich musste es erst mal kapieren.
    »Ja.« Er nickte.
    »Dann bedeutet das doch, dass ich keine Wahl habe. Alles, was ich tue, ist längst entschieden worden.«
    »Ja, Matt. Aber du darfst nicht vergessen, dass es deine Entscheidungen sind.«
    »Aber meine Entscheidungen machen keinen Unterschied!« Ich zeigte auf das Buch und hasste inzwischen schon seinen Anblick. »Was immer ich in meinem Leben tue, das Ende wird immer dasselbe sein. Es ist bereits aufgeschrieben.«
    »Möchtest du es lesen?«, fragte der Bibliothekar.
    »Nein!« Ich schüttelte den Kopf. »Stellen Sie es weg. Ich will es nicht sehen.«
    »Das ist deine Entscheidung«, sagte der Bibliothekar mit einem bedeutungsvollen Lächeln. Er stellte das Buch wieder in die Lücke. Eine letzte Frage hatte ich allerdings.
    »Wer hat das Buch geschrieben?«, wollte ich wissen.
    »Es ist kein Autor angegeben. Alle Bücher der Bibliothek sind anonym. Das ist ein weiterer Grund, warum sie so schwer zu katalogisieren sind.«
    Mittlerweile fühlte ich mich richtig mies. Die Traumwelt sollte dazu da sein, uns zu helfen, aber jedes Mal, wenn wir herkamen, verwirrte sie uns. Das hatten Jamie und Pedro auch schon festgestellt. »Sie nennen sich Bibliothekar«, fuhr ich den Mann an. »Warum sind Sie dann so wenig hilfsbereit? Warum gibt es von Ihnen keine Antworten?«
    Er tippte auf den Buchrücken. »Hier stehen alle Antworten«, sagte er. »Aber du hast dich gerade geweigert, sie dir anzusehen.«
    »Dann beantworten Sie mir nur diese eine Frage: Werde ich gewinnen oder verlieren?«
    »Gewinnen oder verlieren?«
    »Gegen die Alten.« Ich schluckte. »Gehe ich dabei drauf?«
    »Wir erwarten einige Turbulenzen…«
    Der Bibliothekar sah mich zwar an, aber die Worte waren nicht aus seinem Mund gekommen. Frustriert spürte ich, wie die Bibliothek verschwand. Jemand beugte sich über mich. Es war eine Flugbegleiterin.
    »Tut mir leid, dass ich dich wecken musste«, sagte sie. »Der Pilot hat das Anschnallzeichen gegeben.«
    Ich sah auf die Uhr. Es lagen noch weitere vier Stunden Flugzeit vor uns. Richard und Jamie schliefen, aber ich wusste, dass ich jetzt nicht wieder einschlafen würde. Also holte ich meinen Block heraus und fing wieder an, dies hier zu schreiben.
    Noch vier Stunden bis London.
    Bald werden wir zu Hause sein.

VERPASST
    Scarlett dachte, in der Schule würde sie sicher sein. Sie würde in der Menge untertauchen und niemand würde sie bemerken. Schließlich passierte an ihrer Schule nie etwas Aufregendes. So kam es, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben auf den Montagmorgen freute. Es würde keine Bomben, keine Männer in verdächtigen Autos und keine merkwürdigen Botschaften geben. Stattdessen Doppelstunden Mathe und Physik, und alles würde wieder sein wie immer.
    Nur, dass es nicht so war.
    Kurz vor der Mittagspause wurde sie ins Büro der Schulleiterin bestellt. Es gab keine Erklärung, nur ein knappes: »Mrs Ridgewell möchte dich um zwölf Uhr fünfzehn sehen.« Auf dem Weg ins Büro war Scarlett nervös. In gewisser Weise hatte sie seit dem Ausflug nach St. Meredith mit Ärger gerechnet. Sie stand nun schon viel zu lange im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, und das auch noch aus den falschen Gründen. Ihre Leistungen hatten sich rapide

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