Hoellenprinz
einen Schalter in ihr umgelegt.
»Was wollen Sie hier?«, fragte sie mit schneidender Stimme, als wäre Ela eine Fremde.
»Oma, ich binâs, Ela.«
»Ich kenne Sie nicht und ich möchte, dass Sie mein Haus verlassen.«
»Oma, beruhige dich, ich bin es, Ela, deine Enkelin.«
»Raus! Weg!« Ihre GroÃmutter fuchtelte unruhig mit den Armen vor ihrem Gesicht. Ela legte ihr ihre Hand auf den Unterarm.
»Fass mich nicht an!«, schrie ihre GroÃmutter. »Lass mich in Ruhe!« GroÃmutter wiederholte diese Sätze immer wieder.
Zum Glück kannte Ela diese Anfälle, dennoch war etwas an ihren Worten, was Ela erstarren lieÃ. Sie brauchte eine Weile, um zu kapieren, dass es nichts mit ihrer GroÃmutter zu tun hatte. Sie setzte sich auf den Sessel und hielt mit beiden Händen ihren Kopf fest, als könnte sie damit ihre Gedanken besser bündeln. Da war was. Eine andere Situation. Die gleichen Worte. Schreie. Angst. Hatte das mit der Mordnacht zu tun? Hatte da auch jemand geschrien? Sie? Daniel?
Immer wieder: »Lass mich in Ruhe!«
Dann ein Krachen. Ein dumpfer Aufprall. Und da war noch ein anderes Geräusch, ein Pochen ⦠nein, eher ein helles Klappern. Es kam ihr zwar irgendwie bekannt vor, aber sie konnte es nicht zuordnen. Das Krachen und der Aufprall passten zu den Szenen, die sie sich vorhin im Bett vorgestellt hatte. Doch diesmal war es eindeutig keine Fantasie. Ela presste ihre Hände kräftiger gegen ihren Kopf, um die Geräusche nicht zu verlieren. Aber es half nichts, sie verschwanden wie Nebel, der sich lichtete.
Zurück blieb das Klagen der GroÃmutter: »Verschwinde endlich aus meinem Haus.« Mittlerweile klang sie kraftlos und müde. Ela setzte sich auf den Bettrand.
»Omi, keiner tut dir was, alles ist gut.«
GroÃmutter fasste nach Elas Handgelenk und griff erstaunlich fest zu. »Du bist ein gutes Kind, Michaela. Ein gutes Kind.«
Dann schlief sie ein. Ela stand leise auf und ging auf dem Weg nach oben in der Küche vorbei, um sich ein Glas Wasser zu holen. Damit setzte sie sich auf ihren Schreibtischstuhl ans offene Fenster und blickte in die Nacht. Sie schaute genau auf das Grundstück nebenan. Wie sich wohl Beate fühlte in dem viel zu leeren Haus? In dem Moment ging drüben ein Licht an. Ela duckte sich. Sie wollte auf keinen Fall gesehen werden. Beate knipste in allen Zimmern die Lichter an. Jetzt war nur noch die Garage dunkel. Verrückt. Meistens war genau dieses Fenster das einzige gewesen, das in der Nacht erhellt war. Die Garage war Daniels Zufluchtsort gewesen. Ela hatte ihn oft hineingehen sehen und sich immer gefragt, was er da wohl machte. Einmal hatte er sie mitgenommen, Silvester vor drei Jahren â¦
Es ist kurz vor Mitternacht. Wir ziehen uns unsere Jacken und Schuhe an und gehen auf die StraÃe. Ich lasse Schal und Mütze weg, denn Daniel trägt so was auch nie.
Er winkt mir sofort zu, als ich rauskomme, bleibt aber bei seiner Mutter stehen. Als es zwölf Uhr ist und sich meine Eltern umarmen, schiele ich rüber zu Daniel. Beate drückt ihn an sich und küsst ihn.
Auf den Mund.
Es sieht komisch aus. Daniels Arme, sein Unterleib, alles, was sich Beates Griff entwenden kann, strebt weg von der Zweisamkeit. Ich muss an das Fotoalbum denken, das Beate Daniel zu Weihnachten geschenkt hat. »Dreamteam forever« stand auf dem Umschlag und es war voller Mutter-Sohn-Bilder.
Meine Eltern knuddeln mich herzlich, dann endlich kommt Daniel zu mir. »Hallo Pumuckl, fröhliches neues Jahr!« Er wuschelt mir durch die Haare und ich knuffe ihn in den Bauch, weil er genau weiÃ, dass ich das nicht mag.
»Dir auch«, sage ich.
»Komm, ich hab ein paar Raketen.« Daniel zieht mich zur Rückseite des Hauses, wo sich der Eingang zur Garage befindet. Der Schlüssel liegt auf dem Türrahmen. Er schlieÃt auf und wir gehen rein. Der Raum ist vollgestopft mit Werkzeug, Gartenkram und undefinierbarem Krimskrams. Mittendrin steht ein groÃer Schrank, der die Garage in zwei Teile teilt. Mir wird sofort klar, dass sich hinter diesem Schrank Daniels Raum verbirgt, in dem er nachts oft sitzt.
»Lass uns dieses Jahr was Besonders machen.«
»Was?«
»Wir schicken unsere Wünsche in den Himmel, dann gehen sie bestimmt in Erfüllung.«
Mit diesen Worten nimmt er eine Pappschachtel mit Schmierpapier, Garn und Stiften aus dem Regal, fegt eine
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