Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Frauen wie sie verwendete,
weil er den Job am ehrlichsten beschrieb.
In der Anfangszeit
arbeitete sie von ihrer kleinen Wohnung aus, was allerdings nicht lang gut ging,
weil den Nachbarn ihre neue Profession ganz und gar nicht gefiel und ihr demzufolge
relativ schnell gekündigt wurde. Danach hatte sie es auf der Straße probiert, was
ihr aber auf Dauer zu gefährlich war. Und irgendwann in diesen Tagen war ihr Maik
Wesseling über den Weg gelaufen. Obwohl die beiden nie etwas miteinander angefangen
hatten, war immer so etwas wie gegenseitiger Respekt im Umgang zu spüren gewesen.
Nach den Regeln guter Geschäftsleute hatten sie eine Vereinbarung getroffen, wobei
Viola sich mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt hatte. Wesseling duldete
es, wofür sie sich dadurch revanchierte, dass sie nie die wahren Hintergründe ihres
Deals mit den anderen Mädchen besprach. Jedenfalls nicht ehrlich. Und so war es
gekommen, dass Viola Bremer den größten Teil ihrer Einnahmen behalten durfte, aber
unter dem Schutz von Wesseling und dessen Adlatus Olli Heppner anschaffen gehen
konnte. Mit den Monaten und Jahren hatte sie sich einen sechsstelligen Betrag erarbeitet,
für den sie sich im Jahr zuvor eine kleine Wohnung in Freiburg kaufen konnte.
Im gleichen
Augenblick, in dem sie in die Untere Königsstraße, also die Fußgängerzone, trat,
meldete sich ihr auf Vibrationsalarm eingestelltes Telefon. Sie zog das moderne
Gerät aus der Hosentasche und sah auf das Display. ›Anonymer Anrufer‹, las sie.
Leck mich, dachte
sie und hatte das Telefon schon fast wieder in die Tasche zurückgeschoben. Dann
jedoch überlegte sie es sich anders und nahm den Anruf entgegen.
»Hallo.«
Bis auf
die Stille an ihrem rechten Ohr hörte sie nichts.
»Niemand
dran?«
»Spreche
ich mit Viola Bremer?«
Nun war
die junge Frau für einen kurzen Moment sprachlos.
»Wer will
das wissen?«
»Jemand,
der Ihnen eine Nachricht von Maik Wesseling übermitteln soll.«
Ihre Überraschung
hätte nicht größer sein können, denn bis auf vielleicht zehn oder zwölf Menschen
kannte niemand diese Telefonnummer. Und Maik Wesseling gehörte natürlich dazu.
»Hat er
Sie damit beauftragt?«
»Würde ich
Sie sonst anrufen?«
»Nein.«
»Wir müssen
uns treffen.«
»Müssen
müssen wir gar nichts, damit das gleich klar ist. Wo ist Maik?«
»Das darf
ich Ihnen erst sagen, wenn wir auf dem Weg zu ihm sind.«
»Und mit
wem genau habe ich das Vergnügen?«
»Mein Name
tut nichts zur Sache.«
»Und wenn
ich Nein sage?«
»Dann werde
ich das so weiterleiten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Maik das in seiner
Situation gut finden würde.«
»Was ist
mit ihm?«
»Es geht
ihm nicht gut, aber sein Leben ist nicht in Gefahr.«
»Und woher
weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann?«
»Ich habe
Ihre Telefonnummer. Reicht das nicht?«
Sie überlegte
ein paar Sekunden.
»Warum ruft
er mich nicht selbst an?«
»Das sollten
Sie ihn fragen. Ich könnte es Ihnen sagen, aber ich weiß nicht, ob ihm das recht
wäre.«
Wieder brauchte
sie eine Weile.
»Wo treffen
wir uns?«
»Ich hole
Sie ab.«
»Wo?«
»Dort, wo
Sie arbeiten.«
»Sie wissen,
wo wir, ich meine, ich …?«
»Ja, das
weiß ich.«
Pause.
Viola suchte
fieberhaft nach einem belebten Ort, an dem sie sich mit dem Anrufer treffen konnte.
»Nein, ich
will nicht, dass Sie dort hinkommen. Wir treffen uns in der Friedrich-Ebert-Straße.
Kennen Sie das Eiscafé ›Il Gelato‹?«
»Das ist
gegenüber der Haltestelle Annastraße.«
»Ja, genau.
Dort treffen wir uns.«
»In einer
Stunde?«
Sie sah
auf ihre Armbanduhr.
»Nein, das
wird zu knapp. Sagen wir lieber, in zwei Stunden.«
»Ich bin
da.«
»Wie erkenne
ich Sie?«
»Das brauchen
Sie nicht, Viola. Ich erkenne Sie.«
Ihr Herz
setzte für einen Schlag aus.
»Gut«, erwiderte
sie trotz ihrer zugeschnürten Kehle. »Bis später dann.«
»Ja, bis
dahin.«
Die Frau
steckte das Telefon zurück, atmete tief durch und versuchte, ihre zitternden Hände
unter Kontrolle zu bringen.
Verdammt,
was mache ich nur für einen Scheiß? Ich hätte diesem Typen einfach sagen sollen,
dass er sich sein Treffen in den Hintern schieben soll.
Mit schnellen
Schritten ging sie über den Königsplatz, sah sich kurz um und ließ sich auf eine
freie Bank fallen.
Verdammt,
verdammt!
Während sie dasaß, rasten die wirrsten
Gedanken durch ihren Kopf, und nur sehr langsam gelang es ihr, sich zu beruhigen
und die Gedanken zu strukturieren.
›Okay,
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