Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
konnte in diesem Fall ausschließen, dass sich in den sichergestellten Unterlagen keine Daten von deutschen Membern befanden. Jeder, der mit dem durchsuchten Charter in der Vergangenheit Geschäfte gemacht hatte, musste jetzt selbst mit einer Polizeikontrolle rechnen. Ich saß damals oft an unserem Computer im Clubhaus und las die E-Mails. Ich wollte sichergehen, dass niemand aus unserem Charter betroffen war. Und falls dies doch passiert sein sollte, wollte ich genug Zeit haben, Beweise verschwinden zu lassen. Das war, wie ich erleichtert feststellte, aber nicht nötig.
Weg zum Member
Wir durften keinen Fehler machen. Die Amerikaner schauten genauestens auf uns alte Bones. Jeder im Club wusste, dass die Amerikaner den Zusammenschluss der Bones mit den Hells Angels in Deutschland ablehnten oder zumindest sehr argwöhnisch beobachteten. Denn niemand wurde so schnell und unkompliziert ein Hells Angel, wie das bei uns Bones der Fall war.
Der Club sucht sich seine Mitglieder genauestens aus. Jeder, der dem Club beitreten will, muss einen langen Weg gehen und dabei viel erdulden. Am Ende steht nicht einmal fest, dass man wirklich ein Member wird. Wir alten Bones hingegen hatten es einfach – viel zu einfach nach dem Geschmack der Amerikaner. Denn wir waren von heute auf morgen dem Club beigetreten und hatten sofort alle Rechte und Pflichten.
In der Öffentlichkeit versucht der Club auch heute noch, das Gerücht aufrechtzuerhalten, dass der offizielle Weg zum Hells Angel sehr schwer und steinig sei. So heißt es noch Anfang 2010 auf der Internetseite der Hells Angels Germany kryptisch auf die Frage, wie man Mitglied wird: »Wenn du diese Frage stellen musst, wirst du die Antwort vermutlich nicht verstehen …« Aus meiner heutigen Perspektive kann ich sagen, dass es gar nicht so schwierig ist. Die Grundvoraussetzungen für die Aufnahme sind ein gut gefülltes Konto und viel Zeit.
Während der acht Jahre, als ich Vize-Präsident des Kasseler Charters war, lungerten viele Möchtegern-Rocker auf unserem Clubgelände herum. Alle wollten sie Hells Angels werden. Mindestens vierzig von ihnen haben es versucht – und vierunddreißig haben es nicht geschafft. Sie passten aus verschiedenen Gründen nicht zu uns: Einer weigerte sich, auf Partys mitzukommen, der andere wollte keine Straftaten begehen, und wieder andere missachteten die Regeln. Nur wenige beugten sich dem Club, brachten sich ein und lebten zumindest teilweise die Ideologie der Hells Angels. Einer war Jupp.
Irgendwann fiel Jupp mir auf, weil er bei fast jeder öffentlichen Party in Kassel anwesend war. Meist hatte er seine Alte dabei, quatschte und soff mit den Membern. Später kam er auch unter der Woche mit seinem Bike bei uns vorbei. Er schlich auf dem Clubgelände herum. Irgendwie schien er immer genau zu wissen, was er machen musste. Ungefragt schnappte er sich einen Besen und begann, den Hof zu fegen; auch leerte er die Mülleimer und wischte die Bierbänke. Ich hatte schnell begriffen, dass er bei uns mitmachen will.
Jupp erzählte uns, dass er in einem kleinen Nest in der Nähe von Kassel wohnt: fünfhundert Einwohner, vierhundert Misthaufen. Nun ja, er sagte auch, dass er ursprünglich aus einem anderen Kaff käme und dort in einem winzigen Motorrad-Club gewesen sei. Jetzt wollte er in der ersten Liga mitmischen – bei den Hells Angels. Zu bieten hatte er dem Club nicht sehr viel. Seine Hauptbeschäftigung war es, Zigaretten aus Polen nach Deutschland zu schmuggeln und diese gewinnbringend zu verkaufen. Er prahlte gern mit seiner weißen Weste bei der Bullerei. Nur ein einziges Mal wurde gegen ihn ermittelt – als er seiner Nachbarin sexuell nachgestellt und Fotos von ihr verbreitet hatte. Sie hatte ihn damals angezeigt. Mit dieser Story wollte er unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Die meisten, die im Club aufgenommen werden wollen, denken sich eine coole Legende aus. Das müssen sie auch, denn nur so können sie das Interesse der Member wecken. »Normalos« sind im Club nämlich unerwünscht. Die Anwärter wissen meistens, dass kein Hells Angel je Nachforschungen anstellen wird, wenn sich alles glaubhaft anhört.
Um möglichst kräftig zu erscheinen, greifen viele Möchtegern-Rocker zu Anabolika. Doch davor kann ich nur warnen: Die Pillen lassen zwar die Muckis wachsen, aber gleichzeitig schrumpfen die Eier. Wichtig ist neben alldem das Outfit: Es muss furchteinflößend und abgenutzt aussehen. Schwarze Klamotten vom Label Pit Bull sind
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