Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
weltweit geschickt? Wir hoffen, dass der Prospect noch nicht zum Member ernannt wurde.« Das war eindeutig – doch nicht für den präsidialen Fürsprecher.
2006 wollte er den Schoko-Schorsch beim Europa-Meeting in England vorstellen. Er selbst sprach kaum ein Wort Englisch und hatte deshalb einen Dolmetscher engagiert. Außerdem gab es für die Brüder eine Mappe mit Lebenslauf und Stammbaum von Schoko-Schorsch. Noch rechtzeitig am Tag des Meetings wurde er gestoppt und so richtig zur Sau gemacht: Was er sich einfallen lassen würde, eine solche Nummer zu starten und dann auch noch mit einem Dolmetscher? Diese Meetings durften nur von den sogenannten Representern – speziell ausgewählten Membern, die ihr Land bei den Euro-Meeting vertreten – besucht werden. Kein normaler Member hatte Zutritt – und schon gar kein Dolmetscher. Bis zum heutigen Tag ist Schoko-Schorsch Hangaround.
Bei einem späteren Treffen in Hamburg legte Schorschs Fürsprecher den Amerikanern einen Brief vor. In diesem erklärte er minutiös, wie deutsch Schoko-Schorsch war, wie dessen Rocker-Laufbahn verlaufen war, und zählte andere Gründe auf, ihm »ein weiteres Leben bei uns zu ermöglichen«. Spätestens jetzt war allen klar: Der Bruder hatte die Mentalität des Clubs einfach nicht verstanden – und das als Charter-Präsident!
Einen ähnlichen Fall gab es einmal in England. Ein dortiges Charter hatte vor einigen Jahren einen Schwarzen, der Hangaround war, und wollte ihn zum Prospect ernennen. Sie hatten eine Mail an Amerika verfasst, in der sie fragten, ob es möglich sei, ihn zum Prospect zu machen – und gegebenenfalls die World-Rules zu ändern. Nach kürzester Zeit kam die wutschnaubende Antwort. Mehr als drei Monate andauernde Beschimpfungen zwischen Amerika und England waren die Folge. Unser Clubhaus-Computer glühte: Ständig erreichten uns neue E-Mails. Weltweit kotzen sich Hells Angels darüber aus. Über solche eigensinnigen Aktionen der Europäer muss immer wieder auch bei den World-Meetings diskutiert werden.
Die World-Meetings finden einmal im Jahr statt. Mindestens ein Vertreter jedes Landes muss dort anwesend sein. Im Normalfall nehmen zwei Repräsentanten daran teil. »Die Strafe für ein Fernbleiben beträgt zweitausend Dollar«, heißt es dazu in den World-Rules. Gegen die Geldstrafe kann Widerspruch eingelegt werden, und wenn dieser erfolgreich ist, kann die Strafe aufgehoben werden. Falls ein Member aus Interesse an einem World-Meeting teilnehmen will, muss er einen förmlichen Antrag stellen, der von den Amerikanern abgesegnet wird.
Auf den World-Meetings werden Entscheidungen getroffen, die international relevant sind. Dazu gehören beispielsweise größere Deals, Clubentlassungen oder auch die Vorgehensweisen gegen verfeindete Clubs. Die Entscheidungen werden nach dem Verfahren »Ein Mann – eine Stimme« getroffen. Dazu steht in den World-Rules: »Um eine Entscheidung zu treffen, wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt.«
Parallel zu den World-Meetings findet immer der World-Run statt. 2009 war dieser in Rio de Janeiro in Brasilien, 2008 in Kapstadt in Südafrika, 2007 in Lissabon in Portugal und 2006 in Cody Wyoming in den USA . Bei diesem Treffen muss mindestens ein besonders ausgewählter Vertreter aus jedem Land, ein sogenannter Representer, anwesend sein. Ist dies nicht der Fall, wird eine Strafe von fünftausend Euro an das veranstaltende Land fällig. Die einzigen Entschuldigungen, die beim World-Run oder Euro-Run für das Fernbleiben geduldet werden, sind: Alle Member des fehlenden Charters sitzen im Knast oder befinden sich aktuell mit einem verfeindeten Club im Krieg und sind somit unabkömmlich.
Der Club und seine Freunde
In meiner Zeit als Hells Angel reiste ich viel in der Welt umher. Ich besuchte jedes deutsche Charter und knüpfte viele Kontakte. Auch im Ausland war ich oft unterwegs. Dort traf ich auf starke Persönlichkeiten, die mir jede Menge über den Club erzählten und dessen Ideologie erklärten. Vor etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren begann der Club, sich stark zu verändern. Die Brüder hatten erkannt, welche Möglichkeiten sich weltweit boten, um viel Geld zu verdienen. Viele versuchten, sich Macht und Einfluss auf alle Bereiche der Gesellschaft zu erkämpfen – und das um jeden Preis. Statt um Motorradfahren und Partymachen ging es nun ums große Geld.
In Deutschland, wie in allen anderen Ländern auch, setzen sich Hells Angels aus den einzelnen Chartern und den
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