Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
russischen Sondereinheit Speznas dabei gewesen sein. Ein Polizist teilte uns mit, dass auf diesem Treffen ein Mordauftrag gegen mich und meine Schwester ausgesprochen und vor Ort gleich ein Kopfgeld an die beiden Russen ausbezahlt wurde.
Was mich wunderte, war, dass die Bullen sehr genau wussten, was auf diesem Treffen besprochen wurde. Sie erzählten uns detailliert, dass die Russen nur dabei waren, weil sie die Mordaufträge entgegengenommen hatten und diese ausführen sollten. Auch wussten die Bullen namentlich, wer die Member des Charters Moskau waren. Woher hatte die Polizei diese detaillierten Informationen? Uns sagten sie lediglich: »Das sind gesicherte polizeiliche Erkenntnisse.« Im Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel vom 7. November 2008 wurde uns dies bestätigt. Darin heißt es unter anderem: »Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Nordhessen ist im Dezember 2007 der vertrauliche Hinweis auf eine solche Verbrechensverabredung eingegangen.«
Mich konnte das nicht mehr vom Stuhl hauen. Es war ja klar, dass man mich aus dem Weg schaffen wollte, das hatte ich schon in den ersten Befragungen bei der Polizei vorgebracht. Ich sagte den Bullen darüber hinaus, dass es wohl Russen ausführen würden, da sie über die besseren Möglichkeiten verfügten, eine solche Tat sauber umzusetzen. Sie haben einen großen Vorteil: Sie kommen nach Deutschland, machen das Zielobjekt kalt und sitzen, bevor die Bullen überhaupt auf den Plan kommen, schon längst wieder in ihrer Heimat und saufen Wodka.
Für meine Schwester und mich bedeutete diese neue Sachlage, dass wir einmal wieder unsere Wohnungen verlassen sollten. Um mich selbst hatte und habe ich keine Angst. Sollen die Russen doch kommen: Bevor die mich abknallen, habe ich denen schon längst den Schädel weggetreten. Angst habe ich nur um meine Schwester.
Meine ehemaligen Kasseler Brüder saßen alle in U-Haft und warteten auf ihren Prozess. Ich war wieder in meiner Wohnung und lebte mit den Bullen vor meiner Tür weiter. Jedes Mal, wenn ich einen Arzt-Termin hatte oder nur mal schnell zum Bäcker oder Fleischer wollte, sollte ich das mit den Zeugenschutzbeamten absprechen. Die organisierten die Fahrt, brachten mich dahin, wo ich hinwollte.
Das Ende meines Charter s
Im Dezember 2007, also kurz nachdem wir von dem Mordauftrag erfahren hatten, schlug ich die Kassel-Ausgabe der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen ( HNA ) auf. Darin war, recht prominent platziert, ein Artikel mit der Überschrift: »Polizei findet Container der Hells Angels«. Ich traute meinen Augen nicht. Ich las den Beitrag bestimmt fünfmal hintereinander: Die Bullen hatten einen Container gefunden, der auf einem Acker bei Hedemünden bei Göttingen stand. Im Zeitungstext hieß es: »Er stand nahezu ungesi-
Bericht über den spektakulären Containerfund in der Hessische n Allgemeinen (HNA) vom 14. Dezember 200 7
chert und verlassen auf einer öffentlich zugänglichen Wiese.« Weiterhin wird der Kasseler Polizeisprecher Volker Pieper zitiert: »Es handelt sich um einen außergewöhnlichen Fund, da die Statuten der Hells Angels vorsehen, dass deren Utensilien ständig höchster Bewachung unterliegen sollen und keinesfalls in die Hände unbeteiligter Dritter, insbesondere der Polizei fallen dürfen.«
Nach der Großrazzia am 25. Oktober 2007, bei der sieben meiner ehemaligen Kasseler Brüder festgenommen worden waren, wurde unser Clubhaus an der Söhrestraße aufgelöst. Einige Clubmitglieder müssen die Sachen zusammengepackt und in diesem Container versteckt haben. Unter den von der Polizei sichergestellten Sachen befanden sich nationale und internationale Geschenke anderer Hells-Angels-Charter, Fahnen, Jacken, Clubutensilien, Charter-Fotos, interne Unterlagen, Aufnäher, Anniversary-Geschenke von ausländischen Brüdern, wichtige Meeting-Unterlagen und mehrere USB -Sticks mit geheimen Aufzeichnungen. Beim Lesen dieses Textes fragte ich mich ernsthaft, ob meine Ex-Brüder endgültig ihr Hirn weggekokst oder ihren Verstand versoffen hatten. Denn, wie selbst der Polizeisprecher richtig kombinierte, unterliegen diese Utensilien strengster Geheimhaltung und müssen Tag und Nacht bewacht werden – meistens die Aufgabe der Prospects. Sie dürfen niemals in die Hände von Unbeteiligten oder gar den Bullen fallen.
Fünfeinhalb Monate nach diesem peinlichen Container-Fund, also im Mai 2008, begann der Prozess gegen meine ehemaligen Kasseler Brüder. Acht Prozesstage waren
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