Höllensog
dachte nicht anders darüber. Aber was sollten sie tun? Nichts, es gab einfach keinen Hinweis. Auch John und der Junge hatten nichts hinterlassen. Sie waren auf die andere Seite angewiesen, bis es der endlich einmal einfiel, sich zu rühren.
Draußen empfing sie wieder die bleierne Stille. Die Luft drückte noch mehr. Das dünne Band aus Wolken und den herannahenden Schatten schien sich gesenkt zu haben.
Alles war gleich und trotzdem fremd.
»Es lauert etwas«, sagte Suko leise. »Ich kann es spüren. Wir sind unter Kontrolle und…«
Er hatte den Satz noch nicht beendet, als er das schreckliche Lachen hörte. Es war ein brüllendes, ein tierisches Gelächter, und es dröhnte durch das Dorf, als wollte es durch seine schaurige Akustik die Häuser zertrümmern.
Wladimir war bleich geworden.
Das Lachen blieb. Es schien aus zahlreichen Lautsprechern zugleich zu strömen.
Auch Suko hatte es gehört.
Sehr genau sogar. Und er hatte es geschafft, seine erste Überraschung rasch zu überwinden.
Das Lachen war ihm nicht neu.
Er kannte es. So lachte eigentlich nur einer, und Suko schüttelte den Kopf. »Das darf doch nicht wahr sein«, flüsterte er, »das… das ist unmöglich – oder…«
***
Ich war zwar noch ich, aber ich befand mich nicht mehr in meiner Welt oder meiner Dimension. Ich war einfach weggerissen worden, man transportierte mich woanders hin, und mich überkam das Gefühl, als wäre mein Körper dabei, sich aufzulösen, wie ich es schon erlebt hatte, als wir gegen die Teleporter kämpften.
Aber hier war es anders. Ich blieb ich, ich wurde kein anderes Gebilde, ich war nur ein Gefangener und merkte, daß die Hitze und die Stille zurückgeblieben waren.
Dafür umgaben mich Stimmen, auch Tierlaute hörte ich. Das Bellen von Hunden, ich vernahm das Gemecker der Ziegen, ich hörte das Grunzen der Schweine und das ›Schreien‹ der Kühe, die gemolken werden wollten.
Wo also war ich?
Im Dorf?
Nein, das konnte nicht sein, obwohl es der Wahrheit nahekam. Es mußte ein Dorf sein, aber es lag woanders.
Himmel, ich war durcheinander und stellte erst jetzt fest, daß ich während meiner Gedanken noch immer die Augen geschlossen hielt, gewissermaßen zum Schutz. Gregors Stimme hörte ich aus all den anderen Geräuschen und Lauten um mich herum heraus.
»John, sag doch mal was.«
»Gleich«, erwiderte ich und öffnete die Augen.
Ich mußte erst sehen, wo ich mich befand, bevor ich irgendwelche Schlüsse daraus zog.
Es war eine andere Welt!
Ja, davon ging ich aus. Kein Staub mehr, keine Hütten, keine sengenden Sonnenstrahlen, ich sah auch einen anderen Himmel, der tatsächlich etwas gläsern wirkte und türkisfarben schimmerte.
Ich wartete.
Menschen befanden sich in meiner Nähe. Ich kannte sie nicht, sie waren mir fremd, aber es mußten die Bewohner von Szwalzin sein, die nun einen anderen Ort gefunden hatten.
Eine grüne Umgebung mit Wiesen und kleinen Wäldern. Es gab keinen dicken Staub mehr, das Grün dieser Landschaft schimmerte durch, alles sah frisch und satt aus, wie bereit zur Ernte. Wirklich ein kleines Paradies.
Auch die Menschen machten einen glücklichen Eindruck. Wenn sie jetzt angefangen hätten zu tanzen, das hätte mich nicht einmal gewundert.
Sie freuten sich, ihre Stimmen klangen hell und optimistisch, sie waren auch mit ihren Tieren zusammen, und einige Frauen machten sich bereit, die Kühe zu melken.
Welch eine Welt – welch ein Paradies!
Paradies? Bei diesem Wort hallten meine Gedanken. Ich wußte nicht, ob ich diese Umgebung für mich persönlich als Paradies ansehen sollte, denn ich war schon zu oft enttäuscht worden. Aus dem Paradies konnte zu leicht eine Hölle werden, und das hatte ich schon mehr als einmal erlebt. Dafür war Aibon das beste Beispiel.
Sollte ich in Aibon gelandet sein, zusammen mit all den anderen Menschen? Der Gedanke lag nahe und trotzdem so fern, denn so einfach holte sich Aibon, das Paradies der Druiden, die Menschen nicht heran. Ich wollte daran nicht glauben, denn dieses Land war stets darauf bedacht, sie so wenig wie möglich zu zeigen und war deshalb nur einigen wenigen Eingeweihten bekannt.
Der Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopf.
Neben mir stand ein aufgekratzter Gregor Smirnow. »Ist das nicht toll?« fragte er. »Ist das nicht toll? Ich finde es super. Das ist… das ist… wie ein Wunder. Weg aus unserem Dreck in Szwalzin. Das mußte ich dir einfach zeigen, John. Diese herrlichen grünen Wiesen, die Bäume, auch die Tiere fühlen
Weitere Kostenlose Bücher