Höllensog
auch als er sich zu Suko hin umdrehte, geschah dies nur sehr langsam.
Dann hockte er ihm gegenüber. Sein Gesicht glänzte. Es war durch die Anstrengung gezeichnet worden, mit Augen, die tief in den Höhlen lagen, umgeben von dunklen Rändern. »Wir sind da«, sagte er, »aber was hat sich geändert?«
»Zumindest leben wir noch. Das war auch nicht so sicher, oder sehe ich das falsch?«
»Nein.«
»Eben!«
»Am liebsten würde ich hier schlafen und erst aufstehen, wenn es mitten in der Nacht ist.«
»Das kannst du doch.«
»Aha. Und was machst du?«
»Ich versuche, so etwas wie einen magischen Regenbogen zu finden – und, wenn ich Glück habe, noch meinen Freund John Sinclair und einen Jungen namens Gregor.«
Golenkow nickte. »Du wirst es kaum glauben, aber an die beiden habe ich auch die ganze Zeit über denken müssen.«
»Eben.« Suko erhob sich, und das Boot geriet wegen dieser Bewegungen ins Schwanken. Es kenterte aber nicht, und Suko stieg als erster in das Wasser.
Es war nicht tief, aber der Grund war weich und schlammig. Nur deshalb sank Suko bis zu den Hüften hin ein. Er betrachtete die starren Schilfrohre, wobei er sich vorkam wie in einem Gefängnis mit Zellentüren aus Gitterstäben.
Auch Wladimir kletterte aus dem Boot. Gemeinsam schoben sie es durch den Schilfgürtel und merkten auch, daß der Grund nicht mehr so tief lag wie zuvor.
Beide waren noch einmal froh, als sie auf dem Trockenen standen und sich zunickten. »Das ist es gewesen«, sagte Wladimir. »Meine Güte, damit habe ich schon nicht mehr gerechnet.«
»Gibst du so schnell auf?«
»Das hat damit nichts zu tun. Du weißt selbst, daß es uns fast erwischt hätte.«
»Schicksal. Wir sind entkommen. Fragt sich nur, wie es John und Gregor ergangen ist.«
Darauf wußte Wladimir auch keine Antwort. Er sprach nur allgemein davon, daß ein Mann wie John Sinclair sich schon zu wehren wußte.
»Gegen wen denn?«
»Gegen den Höllensog natürlich.«
Suko wiegte den Kopf. »Auf der einen Seite gebe ich dir recht, auf der anderen bin ich unsicher. Es will mir einfach nicht in den Sinn, daß dieser Höllensog so mir nichts dir nichts entstanden ist. Meiner Ansicht nach steckt mehr dahinter. Er wird geleitet, er steht unter einer Kontrolle, und ein derartiges Phänomen kann nur von einer sehr mächtigen Person kontrolliert werden.«
»Zum Beispiel?«
»Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler.«
»Wenn einer Dämonen kennt, dann du.«
»Leider gibt es zu viele davon und auch zu viele unbekannte.« Suko blieb stehen, denn sie hatten den Wagen erreicht. Das Boot wollten sie nicht mehr mitnehmen, sie hatten es am Ufer im Schilf gelassen. Wichtig für sie war, daß sie so rasch wie möglich in das Dorf kamen. Da konnten sie dann weitersehen.
Bevor sie einstiegen, schauten sie sich um und suchten nach Veränderungen.
Normale gab es. Die Sonne brannte nicht mehr so stark herab. Der Himmel zeigte einen leichten Dunst, der sich auch über Szwalzin verteilt hatte. Aber es war kein magischer Bogen und kein erstarrter Höllensog zu sehen, auch nicht über dem Dorf. Es war Wladimir, der die Dinge in einem Satz zusammenfaßte: »Es sieht alles normal aus, Suko. Es ist nichts Ungewöhnliches zu sehen, das kannst du mir glauben, denn ich bin nicht zum erstenmal hier.«
»Das scheint mir auch so zu sein«, murmelte der Inspektor. »Es ist durchaus möglich, daß der Höllensog Szwalzin nicht mehr berührt hat. Er war ja schon einmal da.«
»Steig ein, dann werden wir es bald sehen.«
Wladimir fuhr. Der Motor sprang zwar an, aber er reagierte ein wenig unwillig. Erst nach einer gewissen Weile lief er rund, und beide Männer fuhren, eingehüllt in eine Staubwolke, den Weg wieder zurück. Sie sprachen jetzt nicht mehr. Ziemlich angespannt klebten sie auf ihren Sitzen, denn im Wagen war es heiß.
Durch die Fensterschlitze drang zwar Luft, sie aber brachte auch den Staub mit. Die Sonne kam Suko fahl vor. Er versuchte, sich auf die nahe Zukunft zu konzentrieren und herauszufinden, was sie wohl erwarten könnte.
Zu einem Resultat kam er nicht. Es gab einfach zu viele Unwägbarkeiten in der Rechnung. Dieser verdammte Höllensog reagierte nach Gesetzen, die ihnen beiden nicht bekannt waren. Er kam urplötzlich und war auch ebenso schnell wieder verschwunden.
Nichts blieb zurück…
Keine Menschen, keine Tiere, die fremdartige Magie nahm alles in sich auf.
Sie sahen die ersten Häuser. Das Wissen um die Menschenleere ließ das Dorf für sie
Weitere Kostenlose Bücher