Höllenstadt
befände sich das Herz des Trolls mitten im Schädel. Abe überlegte, ob er noch einmal schießen mußte, doch er spürte auch, wie die Kraft des Wesens allmählich nachließ. Die kurzen Finger zuckten zwar und griffen immer wieder nach, aber sie schafften den harten Griff nicht mehr. Der Troll rutschte in sich zusammen, während aus der Kugelwunde am Kopf die sämige Flüssigkeit sickerte und ihren Weg am Gesicht der Gestalt entlang nach unten fand.
Dann erschlaffte der Troll.
»Okay!« keuchte Abe Douglas. »Okay, du verfluchtes Monster! Raus mit dir!« Er öffnete die Tür und packte den Troll an der Schulter. Dann schleuderte er ihn wie ein Stück Abfall ins Freie. Kurz darauf schlug er die Tür wieder zu.
Der Troll blieb liegen. Nicht mal ein Zucken durchfuhr seine ölige Gestalt.
Douglas atmete durch. Er hatte mit sich selbst zu tun, aber das Keuchen seiner Begleiterin riß ihn von seinem eigenen Problem weg. So drehte er den Kopf nach rechts und sah eine Frau, die Mühe hatte, sich zu beherrschen.
Sie zitterte. Sie atmete schwer. Sie hatte ihr Kind an sich gerissen und hielt es fest wie eine Puppe.
Abe wollte etwas unternehmen, um sie aus dieser Starre zu erlösen. »Es gibt ihn nicht mehr!« flüsterte er. »Ich habe ihn erschossen, Muriel. Hören Sie? Erschossen!«
»Ja, ja.« Sie antwortete automatisch und nickte dabei.
Der G-man schaute durch die breite Öffnung, wo sich einmal die Scheibe befunden hatte. Hinter dem bleichen Licht der Scheinwerfer verlor sich sein Blick in der Dunkelheit, denn dort malte sich kaum etwas ab. Nicht mal der Umriß des Wasserturms. Nur die weiter entfernt stehenden Lampen des Güterbahnhofs bildeten eine kalte Lichterkette.
»Ich kann nicht mehr!« flüsterte Muriel Cameron. »Ich kann wirklich nicht mehr.«
»Ja, das verstehe ich.«
Muriel drückte ihr Kind an sich. Sie wollte es beschützen, aber sie wußte auch, daß sie hilflos war. Gegen die Trolle kam der Mensch nicht so leicht an. Außerdem fühlte sie sich auch nicht in der Lage, gegen Wesen wie diese zu kämpfen.
Abe Douglas sah ein, daß es besser war, wenn er Muriel zunächst in Ruhe ließ. Er hatte sich wieder gefangen und schaute sich um, nachdem er den Sicherheitsgurt gelöst hatte.
Es war nichts Verdächtiges zu sehen. Kein Troll ließ sich blicken. Das hatte für Douglas nichts zu sagen. Die Dunkelheit schützte, und er ging nicht davon aus, daß dieser angreifende Troll allein gewesen war. Bestimmt hatte er irgendwelche Artgenossen mitgebracht, die nur darauf lauerten, sich die Beute doch noch zu holen.
Es war, als hätte Muriel die Gedanken des Mannes erraten. »Ich gebe sie nicht her!« flüsterte sie. »Verdammt noch mal! Ich gebe mein Kind nicht her. Nur über meine Leiche. Eher sterbe ich selbst, als daß ich Sandra hergebe.«
»Das brauchen Sie auch nicht. Wir schaffen es auch mit dem Kind, Muriel.«
»Wir können nicht mehr fahren.«
»Das ist richtig.«
»Dann müssen wir zu Fuß durch die Nacht.«
Abe Douglas schüttelte den Kopf. »Auch das brauchen wir nicht. Ich werde die Hilfe über das Telefon holen. Das hatte ich schon einmal vor. In ein paar Minuten werden hier die Wagen sein und uns abholen. Haben Sie das begriffen?«
»Klar. Nur kann ich daran nicht glauben, Mr. FBI!«
»Unsinn«, sagte Abe locker. »Sie sollten optimistisch denken.«
»Nein, nein, ich weiß genau, daß dort draußen andere Trolle lauern, auf uns warten.«
Douglas wollte nicht widersprechen. Nicht die Tatsache trug dazu bei, daß ihm der Optimismus verging, sondern allein sein Handy, das er hervorgeholt hatte. Ihm war es gelungen, dem Angriff des Trolls zu widerstehen. Dem Handy allerdings nicht. Der Druck des Trollkörpers war einfach zu stark gewesen, er hatte den Apparat zerstört.
»Scheiße«, schimpfte Abe.
»Ich wußte es!« flüsterte Muriel neben ihm. »Ich habe es gewußt, glauben Sie mir. Jetzt gibt es für uns nur noch die eine Chance. Wir müssen zu Fuß weiter.«
»Ja, irgendwie schon.«
»Ja, und draußen lauern sie bereits auf uns. Darauf haben die Trolle nur gewartet. Sie wollen mein Kind. Sie wollen Sandra.«
Abe Douglas gab ihr recht. Allerdings sprach er es nicht aus. Er wollte sie nicht noch nervöser machen. Auch er wußte, daß es keine andere Möglichkeit gab, als sich auf den eigenen Füßen durchzuschlagen. Deshalb nickte er. »Sie haben recht, Muriel, wir müssen es ohne Hilfe versuchen. Wenn es Ihnen recht ist, nehme ich ihre Tochter. Dann haben Sie mehr
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