Höllenstadt
hat sie zu Gesicht bekommen, aber sie sind mit von Bord gegangen, als das Gelobte Land erreicht war, und sie sind hiergeblieben.«
»Das wissen Sie genau?«
»Ich gehe davon aus. Ich habe schon als Kind genau zugehört. Die Alten, die längst verstorben sind, die wußten über die Trolle Bescheid. Sie haben sie akzeptiert. Sie haben nicht darüber gelacht. Sie standen ihnen sogar positiv gegenüber.«
»Mördern und Räubern?«
Hank brummte mir seine Antwort entgegen. »So kann man das nicht sagen, John. Nicht alle waren Räuber und Mörder. Man hat sie leben lassen – damals. Aber die Zeiten wurden anders. Man jagte sie. Die Trolle wurden in die Defensive gedrängt. Wie bei den Menschen gibt es auch bei ihnen gute und schlechte. Früher haben die Guten die Schlechten in Schach halten können. Das ist nun vorbei, und es liegt einzig und allein an den Menschen, daß es dazu kommen mußte. Sie haben ihre Vergangenheit und die Trolle nicht mehr ernst genommen. Die modernen Generationen wollten mit ihnen nichts mehr zu tun haben. Sie wurden nicht mehr akzeptiert. Sie haben auch nichts mehr bekommen. Keine Geschenke, keine Abgaben. Für sie waren die Trolle zu einem Ungeziefer geworden, das man nicht mehr haben wollte.«
»Aber sie flohen nicht – oder?«
»Nein, John. Die Trolle sind geblieben. Warum sollten sie ihre neue Heimat verlassen. Sie sind geblieben und wurden sehr negativ, denn sie haben sich einen neuen Herrn und Meister ausgesucht, den viele Menschen fürchten.«
»Ist es der Teufel?«
Der Alte klatschte leise Beifall. »Sehr gut. Ich sehe, daß Sie mehr wissen und bestimmt auch daran glauben. Das gefällt mir, denn andere halten mich für einen Idioten.«
»Dann haben die Menschen die Trolle in die Klauen des Teufels getrieben?«
»So muß man es sehen, denn sie waren nicht alle schlecht. Mir wurden sie noch als verspielte Gesellen geschildert. Leider ist das nicht mehr wahr, und es hat auch niemand auf mich gehört, wenn ich den Leuten hier die Geschichten erzählte, auch um die Menschen vor den Trollen zu warnen. Wer das Böse unterstützt, der ist selbst böse.« Er winkte ab. »Eigentlich hätte ich nichts sagen sollen. Mir haben sie ja nichts getan, aber sie haben sich an die uralten Regeln erinnert, deren Entstehung so lange zurückliegt, daß man sich das kaum vorstellen kann.«
Ich hatte aufgepaßt und auch aufgehorcht. »Regeln?« fragte ich vorsichtig nach. »Gibt es in der Welt der Trolle denn auch Regeln?«
»Ja. Sowohl gute als auch böse.«
»Hier geht es wohl mehr um die bösen.«
»Richtig.«
Obwohl die Zeit bei mir drängte, blieb ich ruhig. »Wollen Sie mit mir darüber sprechen? Haben Sie deshalb auf mich gewartet, Hank?«
»Ja, das habe ich«, erwiderte er langsam. »Ich kann einfach nicht mehr schweigen und mit ansehen, was die Trolle anrichten. Es ist grauenhaft, denn sie haben sich tatsächlich wieder an die alten Regeln erinnert, die vom Teufel stammen.«
»Bitte reden Sie, Hank!«
»Es geht um die Kinder«, flüsterte er, »um die Babys. Ich kann doch nicht zuschauen, wie sie einfach von ihren Eltern weggeholt werden. Kinder sind unsere Zukunft, auch wenn viele junge Leute es nicht begreifen. Ich aber denke so: Die Welt braucht Kinder, nur so kann sie vor dem Untergang gerettet werden. Sie dürfen deshalb nicht geraubt werden. Es gibt leider wenig genug.«
»Was geschieht mit ihnen, wenn die Trolle die Babys geholt haben?« fragte ich.
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Ich muß es wissen. Sonst hätte ich Sie nicht gefragt. Es ist wichtig für mich.«
»Gut, ich werde es Ihnen sagen, John. Die Kinder werden geraubt, um dann«, er hob die Schultern, »geopfert zu werden. Sie werden getötet!«
***
Jetzt war es heraus. Ich hatte eine furchtbare Bestätigung erhalten. So etwas hatte ich schon lange befürchtet. Hank stiegen Tränen in die Augen.
Ich wischte über meine linke Gesichtshälfte.
»Die alten Regeln?« flüsterte ich.
»Nicht ganz, John. Sie sind pervertiert worden, weil die Hölle eingegriffen hatte. Alles ist im Umbruch.«
»Wie sahen die alten Regeln denn aus?«
»Das ist schnell erzählt. Die Trolle waren als Geistervolk immer wieder von den Menschen abhängig. Aber auch von der Hölle. Sie wollten beiden Seiten gerecht werden. Alle sieben Jahre mußte der zehnte Teil der Beute an die Hölle abgegeben werden. Der Teufel wartete darauf. Man nahm dafür die gefangenen Menschen. Aber keine Erwachsenen. Die häufigste Form war es,
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