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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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die Wand und lausche. Das Holz ist dermaßen dünn, dass ich sie auf der anderen Seite atmen hören kann. Gleichzeitig steigt mir auch ein betäubender Duft in die Nase. Der Duft des eben noch aufgetragenen Parfums, vermischt mit ihrem eigenen. Ich schließe die Augen, lege beide Hände flach gegen das Holz, lausche und fühle. Beinahe ist es so, als könne ich sie sehen. Die Geräusche sind eindeutig. Sie zieht ihre Jacke aus, streift ihren Pullover ab, öffnet Rei ß verschluss und Gürtel ihrer Hose und steht in Unterwäsche in der Kabine, kaum dreißig Zentimeter von mir entfernt. Bei jeder ihrer Bewegungen schwappt ein neuer Schwall ihres Duftes zu mir herüber, und binnen weniger Minuten bin ich betäubt. Ich streichele mit den Händen über die Wand und stelle mir vor, es sei ihr Körper. Ihr herrlich straffer junger Körper, den ich schon einmal habe berühren dürfen.
    Ich seufze.
    Sie verharrt.
    Sie hat mich gehört oder gespürt, steht ganz still und lauscht ebenso wie ich. Ist jetzt der Moment gekommen? Unser Moment? Ist sie bereit, mich wiederzusehen?
    »Vor einem Himmel bist du es, die ich bemerk«, flüstere ich leise. Sie hört es trotzdem. Etwas rumpelt, und ich spüre ein Zittern in der Holzwand.
    Plötzlich ein harter Schlag gegen die Wand.
    »Hau ab, hau ab, hau ab!«, schreit mein Mädchen auf der anderen Seite, und ich weiß sofort, was los ist. Einer ihrer Freunde ist uns auf den Fersen. Sie will mich warnen, sie weiß ja nicht, wie spielend leicht ich mit diesen Jungs fertigwerden würde. Aber es geht nicht nur um mich. Es geht vor allem um mein Mädchen und darum, es nicht zu kompromittieren. Der Zeitpunkt ist schlecht, ich sehe es ein.
    Ein schneller Kuss gegen die Wand, dann schlüpfe ich aus der Kabine. Eine dralle Verkäuferin mit entsetzlicher Frisur steht zwischen zwei Kleiderständern und starrt mich an. Eine Hand liegt auf ihrem Herz, sie hält den Atem an, sieht aus wie ein auf dem Trockenen liegender Fisch.
    Ich eile an ihr vorbei und verschwinde aus dem Laden.
     

 
    L eitenbacher warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach acht. Konnte er einen Anruf wagen?
    Gerd Degner war sicher noch nicht im Bett, aber es war immerhin Sonntag. Sein alter Freund aus Ausbildungszeiten, der seit vielen Jahren in Augsburg Dienst tat, war in der Datei als der Beamte angegeben, der die Anzeige aufgenommen hatte. So lange war es noch nicht her, er würde sich bestimmt daran erinnern.
    Leitenbacher gab die Privatnummer seines Kollegen ein. Was hatte er schon zu verlieren? Schlimmstenfalls handelte er sich eine Abfuhr ein. Das glaubte er aber nicht, denn Gerd Degner war Polizist aus Leidenschaft.
    Er nahm nach dem dritten Läuten ab.
    Sie brachten die Begrüßungsfloskeln hinter sich, und Gerd fragte ihn, aus welchem Grund er ihn zu dieser Zeit privat anrief. Ihm war sicher klar, dass es sich um etwas Dienstliches handelte, denn für Smalltalk hatte Leitenbacher noch nie angerufen.
    »Ich habe hier das Aktenzeichen 082009 LW 144/6 geöffnet. Anzeige wegen Vergewaltigung. Opfer ist Laura Waider. Kannst du dich daran erinnern? Es war am 10. August dieses Jahres.«
    Gerd Degner schwieg einen Moment. Leitenbacher hörte Geschirr klappern.
    »Ich störe doch nicht beim Essen?«, fragte er.
    »Nein, nein, ich mache mir grade einen Tee. Möchtest du auch einen?«
    »Sehr lustig. Außerdem bevorzuge ich Kaffee.«
    »Ist nicht gut fürs Herz um diese Zeit.«
    »Arbeiten auch nicht.«
    »Ja, da hast du wohl Recht. Also, Laura Waider. Ist ja interessant, dass du gerade heute nachfragst. Der alte Waider ist verstorben.«
    »Ich weiß. Und Laura Waider auch.«
    »Was?«
    Leitenbacher klärte seinen Kollegen über die Umstände des Todes der Laura Waider auf.
    »Ist ja nicht zu fassen«, sagte Gerd.
    »Es war ein Selbstmord, das steht fest, es gibt einen Zeugen. Ich habe aber etwas erfahren, das mich veranlasst, genauer hinzuschauen. Und da bin ich vor fünf Minuten auf diesen Eintrag gestoßen. Was hat es damit auf sich?«
    »Ich erinnere mich noch recht gut«, begann Gerd Degner. »Gerade weil es sich um die Tochter des steinreichen Waider handelte. Bis dahin kannte ich Laura nicht. Sie ist … nein, war ein wirklich hübsches Mädchen. An diesem zehnten August war sie aber völlig aufgelöst. Bevor sie überhaupt etwas erzählte, musste ich ihr versprechen, dass ihre Eltern nichts davon erfahren würden.«
    »Was war denn passiert?«
    »Jemand ist in ihre Wohnung hier in Augsburg eingedrungen und hat sie

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