Höllenzeit
doch es machte mir Spaß. Wie an diesem Morgen.
Zu Beginn klappte alles hervorragend. Schwierig wurde es erst, als der Weg bergauf führte. Ich geriet ziemlich aus der Puste und wurde langsamer.
Bisher hatte ich alle Einsatzorte einigermaßen bequem erreichen können, doch dieses Ziel visierte ich zu Fuß an. Als ich darüber nachdachte, mußte ich lachen, was jedoch wegen der Anstrengung etwas gequält ausfiel.
Ich lief nicht gleichmäßig, dazu fehlte mir einfach die Routine. Deshalb tanzte die Welt auch vor meinen Augen, und ich hatte das Gefühl, als würden sich die Schneehänge vor meinen Augen senken und dann wieder in die Höhe steigen.
Ich sah das Gebäude des Klosters. Für mich stand es wie auf dem Präsentierteller, nur hatte ich das Gefühl, mich ihm nicht zu nähern.
Irgendwie schien mir die Distanz immer gleich zu bleiben.
Der Pfad wand sich in Kurven und Kehren in die Höhe. Er war oft steinig, stellenweise aber auch glatt durch Eis und Schnee, und immer wieder mußte ich diesen gefährlichen Rutschfallen ausweichen.
Auf halber Strecke blieb ich stehen. Keuchend und hustend, die Arme wie Keulen schwingend. Ich brauchte Luft und natürlich eine kleine Pause.
Nach gut zwei Minuten ging es mir besser. Ich lief trotzdem nicht weiter, dafür schaute ich mir die Außenseite des Klosters an, gegen die die Sonnenstrahlen fielen und dem grauen Granit einen silbrigen Schimmer verliehen.
Was erwartete mich dort?
Sicherlich würde sich Father Ignatius große Sorgen machen. Ich hatte mich nicht melden können, denn unter Wasser funktionierte kein Telefon.
Vielleicht bei James Bond, aber nicht bei mir.
Dann gab es für mich eine noch unbekannte Größe. Diesen Jack Moran, einen Kerl, dem ich alles zutraute, bis hin zur schrecklichsten Tat, dem Mord.
Bestimmt hatte er den Auftrag gehabt, mich auszuschalten, aber wirklich nur mich? Da hatte ich plötzlich meine Zweifel, denn es konnte gut sein, daß er es auch auf andere Menschen abgesehen hatte. Auf die im Kloster, zum Beispiel.
Dieser Gedanke beendete meine Pause abrupt, und ich setzte mich wieder in Bewegung. Meine Muskeln schmerzten, Krämpfe kündigten sich an. Da war die alte Lok auf zwei Beinen und nicht auf vier oder mehr Rädern, die sich zwar langsam den Berg hinaufschob, aber auch nicht unterzukriegen war und durchhielt, als gälte es, einen Preis zu gewinnen.
Meine Beine bewegten sich automatisch, und sie bewegten sich plötzlich wieder schneller. Ich war noch zu sehr mit dem eigentlichen Laufen beschäftigt, als daß ich mir darüber Gedanken gemacht hätte. Das änderte sich wenig später, denn mein Tempo steigerte sich von allein.
Der Grund war einfach. Ich hatte die lange Steigung hinter mich gebracht und sah vor mir das Kloster wie auf dem berühmten Präsentierteller liegend.
Keine Mauer, keine Innenhöfe, nur ein Gebäude mit einer langen Seite aus grauen Steinen, die von zahlreichen Fenstern unterbrochen war. Ein Bau, der in diese Gegend paßte, eben weil er so schmucklos war. Hier konnte er Wind und Wetter trotzen. Er stand da wie ein Symbol des Glaubens, der schließlich auch alle Wirren der Zeiten gut überstanden hatte.
Ich wurde wieder langsamer, machte Lockerungsübungen und wunderte mich, wie leicht doch meine Beine plötzlich waren. Ich hatte mich in eine Feder verwandelt, verglich man es mit dem schweren, stampfenden Laufen zuvor. Dann stand ich vor einer grauen Tür. Sie war ziemlich breit, beinahe schon ein kleines Portal.
Nach einer Schelle suchte ich vergebens, dafür sah ich einen langen Klopfer, der wie ein übergroßer Schuhlöffel aussah. Er endete in einer Kugel, und sie schlug ich einige Male gegen das Holz der Tür. Es wummerte. Ich wartete ab. Meinen Atem hatte ich noch immer nicht unter Kontrolle. Er war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach.
Von Father Ignatius wußte ich, daß das Kloster aus Sicherheitsgründen von den Nonnen verlassen worden war. Auf mich machte es den Eindruck, als hielte sich niemand dort auf.
Ich irrte mich. Ohne daß ich ein zweites Mal klopften mußte, wurde die Tür geöffnet. Sie quietschte, und etwas von der klösterlichen Atmosphäre wehte mir entgegen. Ich roch in die Halle hinein, und sie kam mir weit und leer vor. Der Geruch von Weihrauch vermischte sich mit dem kalter Kerzendochte, aber das konnte ich mir auch einbilden.
Bei Klöstern bin ich oft voreingenommen. Ich konzentrierte mich auf den Mann, der mir gegenüberstand. Etwas überrascht war ich schon, denn
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