Höllische Versuchung
Später wurde auch Geoffs Ururgroßmutter – Onkel Colins Schwester – mit dem Schwert verletzt. Seine Urgroßeltern waren durch das Blut ebenso verändert worden wie ihre Kinder und Kindeskinder. Bisweilen kamen in ihrer Familie Mädchen und Jungen mit übernatürlichen Begabungen zur Welt. Sie verfügten über empathische oder telepathische Kräfte, besaßen telemetrische Fähigkeiten oder konnten in die Zukunft sehen.
Geoffreys Eltern waren entfernt miteinander verwandt und stammten von den gleichen Urgroßeltern ab. Bei ihm und Katherine hatten sich die Kräfte somit verdoppelt.
Geoffrey wurde ohne Pupillen geboren, aber mit der Fähigkeit, durch die Augen von Menschen in seiner Nähe zu sehen. Seine Verbindung mit Katherine war jedoch so stark, dass er jederzeit durch ihre Augen sehen konnte, ganz gleich, wo sie sich gerade befand.
Doch seine Schwester hatte die Augen seit gestern Nachmittag nicht mehr geöffnet. Höchstwahrscheinlich schlief sie.
Das legte die Vermutung nahe, dass man ihr Medikamente verabreicht hatte. Ob der Entführer sie einfach nur ruhigstellen wollte oder von ihrer Verbindung wusste, vermochte Geoffrey nicht zu sagen. Eigentlich waren nur seine Eltern und Onkel Colin eingeweiht.
Sobald Katherine erwachte, würde sie einen Weg finden, ihn wissen zu lassen, wohin man sie gebracht hatte. In der Zwischenzeit würde ihm Maggie Wrens Erfahrung nützlich sein.
Es sei denn, sie selbst hatte mit Katherines Verschwinden zu tun.
Seit er ihr Foto in den Händen gehalten hatte, hatte er unentwegt gehofft, sie endlich wiederzusehen. Nur um sie zu sehen . Sie faszinierte ihn. Am liebsten hätte er seinen Onkel wie ein verliebter Schuljunge mit Fragen bombardiert.
Hätte er sein Interesse an ihr offen gezeigt, hätte das sicherlich auch niemanden gewundert. Die Männer in seiner Familie waren bekannt dafür, ihre Obsession für eine Frau aus der Ferne auszuleben.
Geoff war allerdings der Erste, der die Angebetete noch nicht einmal kennengelernt hatte.
Und das erste Treffen hatte er sich auch ganz anders vorgestellt. Aber zumindest würde er so von Anfang an wissen, ob sie seine Familie hinterging.
Zunächst hatte er sie durch die Augen des Höllenhundes betrachtet. Mit nur einem Kopf war die Sicht, die ihm Sir Pup bot, nicht mehr ganz so schwindelerregend wie zuvor im Haus. Doch der Blick durch die Hundeaugen war so kristallklar, dass Geoff davon Kopfschmerzen bekam.
Dann gab es noch Maggies Augen.
Geoff konnte kaum mit ihnen mithalten. Obwohl er es gewohnt war, mit einem kurzen Blick möglichst viel aufzunehmen, überforderte ihr Sehen ihn schlichtweg. Nie standen ihre Augen still, ständig sprangen sie hin und her. Jeden Passanten unterzog sie einer eingehenden Musterung, nutzte jede sich ihr bietende spiegelnde Oberfläche, um auch alles hinter sich im Blick zu behalten.
Da ihm zwar ihre Augen, nicht aber ihr Gehirn zur Verfügung stand, wurde ihm bei ihr genauso schwindelig wie beim Höllenhund. Normalerweise fand er sich auf belebten Gehwegen problemlos zurecht. Er konnte seine eigene Position im Verhältnis zu der Person, mit dessen Hilfe er sah, gut einschätzen, aber mit Maggie ging das nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben war er dankbar für das Geschirr und den Hund. Onkel Colin hatte ihm Sir Pup geschickt, damit er ihn beschützte, doch momentan war Geoff einfach nur froh, nicht über den Bordstein zu stolpern.
Er schlüpfte in die Augen des Mannes hinter ihnen.
Der Typ starrte Maggie auf den Hintern. Mein Gott, Geoff konnte es ihm nicht verübeln. Vom Kopf bis zu ihren nicht enden wollenden Beinen war Maggie Wren definitiv einen zweiten und einen dritten und sogar einen vierten Blick wert. Aber schließlich gab es Grenzen. Man sah hin, dann sah man wieder weg. Selbst den schönsten Po verschlang man nicht so ungeniert mit seinen Blicken.
Geoff blieb stehen und drehte sich um. Nun galt die Aufmerksamkeit des Mannes seinem angewiderten Blick. Geoff wartete ab, bis der Mann bei seinen reinblauen Augen angelangt war und grinste ihn dann an. Der Perversling schaute weg und ging rasch weiter.
»Gibt es ein Problem, Mr Blake?«
»Nein.« Wieder nutzte er ihre Augen. Ihr Gesichtsfeld war nun begrenzter und von oben fiel ein Schatten über die Augen, als runzelte sie die Brauen.
Sie blickte Geoffrey in die Augen, dann auf den Mund. Mit schnellen scharfen Blicken über seine Schulter scannte sie die Umgebung, nahm die Leute hinter ihm genau unter die Lupe. Dann kehrte ihr Blick
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