Höllische Versuchung
schließlich kein Verbrechen. Sara überprüfte noch einmal, dass nirgendwo elektrische Kabel mit einem Alarmsystem verbunden waren, und signalisierte Deacon, dass sie hineingehen würde.
Er nickte zustimmend und bedeutete ihr, sie solle nicht länger als zwei Minuten bleiben.
Sara schob das Fenster hoch und kletterte vorsichtig gebückt hinein, um den tödlichen Metalldraht zu meiden. Sie befand sich in einem Wohnzimmer. Es war dunkel, doch nicht dunkel genug, um den Mann zu verbergen, der still in einem Sessel saß.
4
»Eigentlich hatte ich Deacon erwartet«, sagte eine seidenweiche Stimme.
»Shah Mayur, nehme ich an.«
»Sara Haziz.« Er klang überrascht. »Seit wann betätigen Sie sich als Henker?«
»Ein kleiner Nebenerwerb.« Sie bemerkte das Gewehr auf seinem Schoß. »Wie ich sehe, sind Sie vorbereitet.«
»Ich wollte nur sicherstellen, dass ich noch die Chance bekomme zu erklären, dass ich kein gemeingefährlicher Mörder bin, bevor man mir den Kopf abschlägt.«
Er gefiel ihr. Wobei er trotzdem der Mörder sein konnte. »Und wenn ich wieder gehe?«
»Werde ich Sie nicht erschießen. Sagen Sie Deacon, dass ich gleich bei Ihnen beiden unten sein werde.« Er zögerte. »Und, Sara, eigentlich ziemt es sich für die zukünftige Direktorin nicht, bei jemandem einzusteigen.«
»Warum tun alle so, als sei es schon beschlossene Sache?«, murmelte sie und kletterte rückwärts hinaus, wobei sie seine Hände nicht aus den Augen ließ. Notfalls könnte sie springen. Ein paar gebrochene Knochen würden sie schließlich nicht umbringen. Anders als eine Kugel.
Ob Shah noch etwas erwiderte, konnte sie nicht hören. Das Herunterklettern war noch einfacher als das Hinaufklettern. »Er kommt runter, um mit uns zu reden.«
Deacons Gesicht wurde ganz ruhig. Gefährlich ruhig. »Er hätte gar nicht zu Hause sein sollen.«
»Er hat Sie erwartet und er weiß, wer Sie sind.«
Daraufhin wurde Deacon noch ruhiger. Sara beobachtete ihn fasziniert. Ließ sich dieser Mann jemals gehen? Oder blieb er auch in den intimsten Situationen vollkommen beherrscht? Am liebsten hätte sie ihn geküsst, um es herauszufinden, aber bei der Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, würde es sicher nicht bei einem Kuss bleiben.
Das leise Summen der ausfahrenden Leiter war eine willkommene Ablenkung. Als Shah heruntergeklettert kam, konnte Sara das Gewehr nicht entdecken. Natürlich hatte das nichts zu sagen, höchstens, dass er seine Waffen geschickt verbarg. Elena würde das gutheißen, dachte Sara. Ihre beste Freundin pflegte kurze Stichwaffen in ihrem Haar zu verstecken und sich Messer um die Oberschenkel zu schnallen. Und das war noch lange nicht alles …
»Hallo, Deacon.« Shah entpuppte sich als großer, dunkelhäutiger und sehr gut aussehender Mann mit glänzendem schwarzem Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Deacon und positionierte sich unauffällig so, dass er Sara würde schützen können.
Sie schaffte es gerade noch, ein Augenrollen zu unterdrücken, und nutzte den Moment, ihre eigene Waffe zu ziehen. Sie trat aus seinem Schatten, um besser sehen zu können.
»Spionage ist meine Spezialität. Ich arbeite für den Geheimdienst der Gilde.«
Die Gilde hat einen eigenen Geheimdienst? Verwundert fragte Sara sich, wie viele Geheimnisse ihr als Gildedirektorin wohl noch offenbart werden würden. Bei ihrer Neugier war das eine ziemliche Verlockung. Aber wäre sie auch bereit, im Gegenzug alles aufzugeben, was sie als Person ausmachte, möglicherweise Familie und Kinder? Bestimmt gab es eine Menge Männer, die mehr als bereit wären, mit der Gildedirektorin ins Bett zu hüpfen, aber diese Art von Männern würde sie nicht mal mit der Kneifzange anfassen.
Nein, da war Deacon schon eher ihr Typ. Stark und cool. Aber eher würde er wohl anfangen, Witze zum Besten zu geben, als mit der Frau zu schlafen, die praktisch sein Boss werden würde – vorausgesetzt, sie nahm den Posten an. Energisch unterdrückte sie diese Gedanken und sah Shah direkt an. »Und das sollen wir Ihnen jetzt so einfach glauben?«
Shah schenkte ihr ein Lächeln voller Geheimnisse. »Soll ich mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, zum Beispiel wie Sie und Elena die Stripperstange im Maxie’s ausprobiert haben.«
Wie zum Teufel hatte er nur davon erfahren? Sie starrte ihn finster an. »Wenn Sie für unseren Geheimdienst arbeiten, warum hat Simon Sie denn nicht sofort von jeglichem Verdacht
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