Hoellischer Verrat
wieder spürte ich den unwiderstehlichen Sog, mich einfach darin fallen zu lassen. Seine Miene blieb unbewegt.
»Wieso sehe ich so viel Traurigkeit in deinen Augen?«
Ich drehte den Kopf von ihm weg. »Es ist nichts.«
»Doch. Und es ist nicht zu übersehen.«
»Wirklich? Und woher kommt das Misstrauen in deinen?«
»Schachmatt«, flüsterte er. Da ich nicht verstand, was es bedeutete, blickte ich ihn finster an.
»Lassen wir das.« Er geleitete mich zu meinem Platz zurück und drehte das Licht wieder heller.
»Wann musst du heute arbeiten?« Einen Moment lang erklang nur leise die Musik aus dem Hintergrund.
»Woher weißt du davon?«
Tarsos setzte sich in seinen Sessel und schenkte mir etwas Blut nach. »Wie schon gesagt, dein Auftreten war ungewöhnlich. Du hattest nicht diesen wiegenden Gang der Frauen, die hauptsächlich auf ihr Äußeres bedacht sind. Wenn du irgendwo stehst, scheinst du regelrecht mit dem Boden zu verwachsen. Ehrlich gesagt, ich habe überlegt, dich anzustoßen, um zu sehen, ob du wenigstens ein bisschen schwankst. Außerdem hattest du zwei Kratzer im Gesicht, die noch nicht richtig verheilt waren. Woher solltest du zu Hause an so etwas kommen? Und als ich neben dir stand und du mich für meine indiskrete Frage gerügt hast, habe ich gesehen, dass du eine Narbe an der Schulter hast, die eindeutig von einem Kampf herrührt. Also habe ich meine Leute auf dich angesetzt und herausgefunden, dass du doch kein Püppchen bist, das den ganzen Tag vor dem Spiegel sitzt.«
»Du hast mich ausspioniert?«
»Spionieren würde ich das nicht nennen. Ich habe mir lediglich die Informationen besorgt, die über das System verfügbar sind. Also falls du glaubst, ich hätte dich beschatten lassen oder Ähnliches, dann liegst du falsch.« Die Lässigkeit, mit der er das sagte, gefiel mir nicht. Es klang, als hätte er es schon Dutzend Mal gemacht. Als wäre es für ihn etwas ganz Normales.
»Was genau tust du für meinen Vater?«
Tarsos’ Blick verhärtete sich, doch so schnell ließ ich mich nicht einschüchtern.
»Jetzt, wo du weißt, was ich tue, wäre es nur fair.«
»Fair«, wiederholte Tarsos. »Interessant.«
Ich beugte mich auffordernd in seine Richtung und hoffte, dass es wirkte. Manchmal erreichte man mit Körpersprache mehr als mit tausend Worten.
»Mein Team und ich behalten die anderen im Auge.«
»Die anderen? Und welche anderen genau?«
»Alle anderen. Alle anderen Arten als die Blutdämonen und natürlich die Engel.«
»Also doch ein Spion.«
»Nein, kein Spion. Wir beobachten nur, wir versuchen nicht aktiv, an Informationen zu kommen. Fast so wie ihr Jäger. Ihr streift nicht wahllos umher, um die Engel zu erledigen. Ihr macht euch erst auf den Weg, wenn es einen konkreten Hinweis gibt, zum Beispiel eine Kamera sie erwischt hat.«
»Das glaube ich dir irgendwie nicht.«
Egal, ob ich Tarsos unrecht damit tat oder er sich nur einfach nicht weiter mit mir darüber unterhalten wollte , er schien nicht gewillt, sich zu verteidigen. Stattdessen angelte er nach seinem Glas und leerte es in einem Zug.
»Was weißt du über die Engel und ihre neue Waffe?«
Tarsos leckte sich die Lippen, um auch noch das letzte Blut zu erwischen. »Sie scheinen uns damit schaden zu können. Es gibt Berichte über erste Verletzte.«
Ich zog argwöhnisch die Stirn kraus. »Das war schon alles?«
Tarsos warf mir einen zögernden Blick zu, während er das filigrane Glas zwischen seinen Fingern drehte. »Der Rest sind eigentlich interne Informationen.«
»Interne Informationen? Intern?«, brauste ich auf. »Ich war dabei, als es passierte. Sie haben meine Kollegin ein Mal von oben bis unten aufgeschlitzt und der anderen eine Hand abgeschlagen! Ich selbst hatte eine Stichverletzung an der Schulter, die kaum verheilen wollte . Ich sehe sie fast jeden Abend vor mir, die Engel mit ihren seltsamen Schwertern! Diese ‚internen Informationen‘ bezieht ihr von uns, die sich da draußen mit diesen geflügelten Großmäulern anlegen!«
»Es scheint ein Muster zu geben, glaubt man den Berichten.«
»Das weiß ich schon«, blaffte ich. »Dazu bedarf es keiner internen Recherchen oder irgendwelcher Arbeitsgruppen. Ein Kollege von mir hat das schon in der ersten Nacht erkannt! Sie testen uns. Und wenn sie genug wissen, werden sie sich erneut zusammenrotten und dann geht der Spaß erst richtig los. Wusstest du, dass unsere Hauptquartiere so gut vorbereitet waren, vermutlich dank der vielen ‚internen
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