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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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dem Ordner war nicht chronologisch abgeheftet. Das Erste, was Edmund zu Gesicht bekam, war das Schlussplädoyer des Pflichtverteidigers. Anscheinend einer von diesen jungen Idealisten, die sich zu viel mit Soziologie beschäftigten.
    Er hatte Heiko Schramm als Opfer der Umstände dargestellt. Deprimierende Jugend. Ohne Vater aufgewachsen, Mutter verdiente mit mehreren Putzstellen kaum das Nötigste zum Leben und hatte nicht die Zeit, den Sohn auf den rechten Weg zu bringen. Schramm hatte keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung, dafür zwei Aufenthalte in Erziehungsheimen nach kleineren Vergehen in jungen Jahren. Ansonsten gab es keine Auffälligkeiten.
    Laut einem von der Verteidigung in Auftrag gegebenen Gutachten war Schramm ein labiler und leicht zu beeinflussender, im Grunde jedoch gutmütiger und weichherziger Mann. Leider hatte er eines Tages ein junges Mädchen kennengelernt, das sich gar nicht vorstellen konnte, was die Worte Gold und Edelsteine bei manchen Menschen auslösen konnten. Das gleich beim ersten Zusammentreffen freimütig von seinem Ausbildungsplatz erzählte. Und von den Werten, mit denen es dort tagtäglich hantierte: Rubine, Smaragde, Saphire, Diamanten und Brillanten, von denen jeder einzelne ein Vermögen kostete. Manchmal lag der Gegenwert von drei oder vier großen Häusern im Tresor.
    Unglückseligerweise protzte Heiko Schramm bei einem Freund mit seiner neuen Eroberung und ließ sich anschließend von eben diesem Freund überreden, die günstige Gelegenheit zu nutzen.
    Von Liebe war in diesem Plädoyer nicht die Rede, nur von dem Freund, der ebenfalls auf die Anklagebank gehört hätte. Den die Polizei aber nicht aufgespürt hatte, worin der Anwalt mangelndes Interesse an der vollständigen Aufklärung dieses Falles witterte. Wozu sollte man sich noch anstrengen, wenn man schon einen Sündenbock gefunden hatte?
    In den Kopien der Aussageprotokolle, die Edmund sich als Nächstes zu Gemüte führte, gab es jedoch keine Spur von einem weichherzigen, gutmütigen Mann, dem Patrizia in ihrem Tagebuch Sensibilität und glutvolle Hingabe zugeschrieben hatte.
    Beim Lesen schätzte Edmund ihn anfangs als dümmlichen Gauner ein. Primitiv in seiner Denkweise und seinen Ausdrucksmöglichkeiten. Ein Einfaltspinsel ohne Schulabschluss und Berufsausbildung, der es genoss, den großartigen Coup, den gar nicht er selbst ausgeheckt hatte und der so gründlich danebengegangen war, bis ins kleinste Detail zu schildern. Man hätte meinen können, er stehe an einem Kneipentresen und versuche, Saufkumpane zu beeindrucken.
    Er prahlte auch nicht zu knapp mit seinem Einfluss auf Patrizia. «Die guck ich an, dann läuft die Sache. Die ist total verrückt nach mir. Mein Kumpel hat gleich geschnallt, dass ich da einen richtig fetten Goldfisch an der Angel habe.»
    Und sein Kumpel hatte ihn angewiesen, diesen Fisch nicht mehr vom Haken zu lassen. Er selbst habe ursprünglich nichts mit Patrizia im Sinn gehabt, hatte Schramm in den Vernehmungen wiederholt behauptet.
    «Seh ich aus, als ob ich auf Kinder steh? Nee, das ist nicht meine Kragenweite. Und so wie die unter der Fuchtel ihres Alten stand, da hatte ich echt keinen Bock drauf.»
    Mal einen Abend ein bisschen herumspielen mit so einem Kind, das ja. Es war doch schmeichelhaft, wenn so ein niedlicher Käfer in Anbetung erstarrte, einem die Worte förmlich von den Lippen fraß und dahinschmolz, wenn man sie einen harten Ständer fühlen ließ und sie zusätzlich ein bisschen mit den Augen kitzelte.
    Mehr hatte er gar nicht tun wollen, und das auch nur weil sie etwas aufgeschnappt hatte, was nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen war. Da hatte er sich vergewissern wollen, ob sie von sich aus die Schnauze hielt oder ob er eventuell nachhelfen musste. Aber dann sagte sein Kumpel …
    Begeistert von der Idee seines Freundes wollte Schramm zu Anfang überhaupt nicht gewesen sein, das brachte er auch deutlich zum Ausdruck. Ihn störte zum einen die Tatsache, dass er über einen längeren Zeitraum den romantischen Liebhaber für Patrizia spielen sollte. Zum anderen erschien ihm das Ding zwei Nummern zu groß. Aber sein Kumpel hatte sich das in den Kopf gesetzt, und dem widersprach man besser nicht, wenn man nicht unbedingt was auf die Fresse bekommen wollte.
    Sein Kumpel war der Denker und Planer, daran ließ Schramm keinen Zweifel und weigerte sich strikt, einen Namen zu nennen. «Ich verpfeif keinen. Und den schon gar nicht.» Nicht mal die Aussicht auf eine

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