Hörig (German Edition)
wenigstens einmal, wofür ich meinen Mann verlassen habe. Und ich meine verdammt noch mal nicht die Steine. Ich wusste doch gar nicht, dass du den ganzen Kram noch hast. Ich dachte, dein damaliger Komplize hätte das alles längst zu Geld gemacht.»
Als er immer noch nicht reagierte, reckte sie sich auf Zehenspitzen, zog seinen Kopf dichter an ihr Gesicht und schloss die Augen. Dann küsste sie ihn, ganz leicht und sanft erst auf einen Mundwinkel, dann auf den anderen.
«Das habe ich vermisst», murmelte sie und küsste weiter, immer in der gleichen Art, eher ein Hauch, eine Ahnung als eine tatsächliche Berührung. «Ich habe das danach nie wieder erlebt.»
Er stand einfach nur da und ließ sie gewähren. Erst als sie sagte: «Ich habe meinem Mann so oft erzählt, wie es mit uns war, aber er hat nicht begriffen, was ich ihm sagen wollte», nahm er ihre Hände herunter und schob sie ein Stück von sich ab.
Sein Gesichtsausdruck wirkte schmerzlich. «Tut mir leid, Püppi, ich kann nicht. Nicht jetzt. Lass mir ein bisschen Zeit. Ich brauch einfach noch Zeit, weil ich …»
Er begann zu stottern, es wirkte befremdlich, wollte so gar nicht zu ihm passen. «Es ist nur …»
Nachdem er tief durchgeatmet hatte, sprach er flüssiger: «Es ist so, Püppi. Als Retling sagte, dass du verheiratet bist, da ging mir der Boden unter ’n Füßen weg. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass so was passieren könnte und du jahrelang mit ’nem anderen rummachst.»
Er streckte ihr beide Hände entgegen, Handflächen nach oben, als erwarte er eine milde Gabe. Dabei zuckte er mit den Achseln und begann erneut zu stottern: «Ich meine, das war dein gutes Recht. Es gehört dazu, wenn man heiratet. Ich … deshalb mach ich dir keine Vorwürfe, bestimmt nicht. Ich hatte nur nicht einkalkuliert, dass du ’nen anderen kennenlernen und heiraten könntest. Mein Fehler.»
Jetzt grinste er verlegen, zuckte noch einmal mit den Achseln, ließ die Hände sinken und sprach weiter: «Du hast doch hoffentlich gemerkt, wie ich mich gefreut hab, dass ich ganz aus dem Häuschen war, als ich geschnallt hab, dass du mitkommen willst. Aber weißt du, ich hab mir immer vorgestellt, dass ich der Erste bin. Jetzt muss ich mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass ich das nicht mehr sein kann. Das geht bei mir nicht von jetzt auf gleich, verstehst du? Es kommt schon noch, Püppi, es kommt bestimmt bald. Wart mal bis morgen. Wenn ich ’ne Nacht da oben gelegen und mir vorgestellt hab, dass du so nah bei mir bist.»
Damit legte er sich eine Hand an den Schritt. «Ich kann ihm ja heute Nacht erzählen, dass es jetzt endlich so weit ist. Mal sehen, ob er sich rührt. Wenn wir ’ne Auferstehung erleben, quartieren wir die beiden Alten morgen ins Gästezimmer um. Die haben ein Bett in ihrem Schlafzimmer, das Feinste vom Feinen, sag ich dir. Ich möcht nicht wissen, was das gekostet hat. Da haben wir jedenfalls Platz genug.»
Das verlegene Grinsen ging in ein schelmisches Lächeln über, das ihn jungenhaft und unbekümmert wirken ließ. Er blinzelte ihr zu. «Meinst du, du hältst es so lange aus?»
Sie nickte, gekonnt tapfer und vertrauensvoll, presste für einen Moment die Lippen aufeinander und flüsterte anschließend verheißungsvoll: «Und wenn er die Auferstehung verweigert, bringst du ihn einfach zu mir. Ich habe eine Menge gelernt in den vergangenen Jahren. Wenn ich ihm davon erzähle, wird ihn das bestimmt aufrichten. Anschließend ist es ihm vielleicht egal, dass er nicht der Erste ist.»
Ihr eindeutiges Angebot löschte das jungenhaft schelmische Lächeln innerhalb von Sekundenbruchteilen aus. Ein Ausdruck von Abscheu machte sich auf seiner Miene breit. Bei ihrem letzten Satz zuckte er sogar zusammen, als habe sie ihn geschlagen. Dann trat er einen Schritt zurück, als müsse er mehr Abstand zwischen sich und sie bringen.
«Tu mir einen Gefallen, Püppi», sagte er angewidert. «Red nicht so ’n Quatsch. Wenn ich Tricks will, gehe ich zu einer Nutte. Mit so einer wirst du dich ja wohl nicht vergleichen. Mir ist scheißegal, was du bei deinem Mann gelernt hast. Vergiss es! Vergiss es, so schnell du kannst. Bei mir erreichst du damit nur das Gegenteil.»
Sie starrte ihn betroffen an, senkte den Kopf und stammelte: «Ich habe es nicht so gemeint, Heiko. Ich wollte dich nicht drängen, ich … Es tut mir leid, ich … Es ist doch nur, weil ich …»
Noch ein zittriger Atemzug, dann hob sie den Kopf wieder und schaute ihm direkt in die
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