Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
«Aber ich habe auch schon genügend Planschen gegossen. Morgen früh kann ich mit dem Auswalzen beginnen. Vorher mache ich mir am besten eine Zeichnung. Ich habe etwas ganz Bestimmtes im Sinn. Du wirst staunen. Wenn du mir gleich die Decke bringst, bist du so lieb und bringst mir auch Papier und Stifte?»
    Er nickte, und sie horchte angestrengt zur Treppe hinüber. Es war kein Laut zu hören. Totenstille, schoss es ihr durch den Kopf. Für einen Augenblick zogen sich ihre Schultern zusammen, etwas schabte scharf und kalt an ihrer Wirbelsäule entlang. Totenstille! Es gelang ihr trotzdem, noch einmal zu lächeln.
    «Ich werd Peter sagen, dass er dir ’ne Suppe macht», sagte er. «Was für ’ne Suppe? Rind oder Huhn oder lieber was Kräftiges? Gulasch, Erbsen, Bohnen?»
    «Nein, nein, nur eine klare Suppe oder eine Bouillon. So eine Tütensuppe, weißt du. Aber wenn es möglich ist …» Sie schaute ihn an, ein bisschen so, als sei ihr die Bitte peinlich, dann sprach sie weiter: «Es wäre mir lieber, wenn Frau Retling die Suppe macht. Ich will nicht schon wieder über deinen Freund meckern, nur macht er auf mich nicht gerade einen sauberen Eindruck. Ich bin vielleicht ein bisschen empfindlich, ich weiß. Aber Frau Retling stellt sich bestimmt an den Herd, wenn du sie dazu aufforderst. Sag ihr einfach, dein Kumpel möchte zum Abendbrot eine klare Suppe mit Nudeln, und wenn sie ein Ei hineinschlagen könnte, wäre das phantastisch.»
    Sie schenkte ihm noch so ein naives Lächeln, aber es reichte nicht ganz bis zu den Augen hinauf. Das spürte sie. Damit er es nicht bemerkte, mischte sie ihrer Stimme einen Hauch von Nostalgie bei. «Die hat sie uns früher immer zu Mittag serviert, als Vorspeise. Frau Retling ist eine gute Köchin, sie kann auch ganz ausgefallene Sachen auf den Tisch bringen. Ein paar von ihren Rezepten habe ich selbst schon ausprobiert.»
    Einfach drauflosreden. Ob er ihr zuhörte, war nicht ersichtlich, aber auch nicht so wichtig. Sie plapperte weiter wie das Kind, das er anscheinend sehen wollte, kam von Kochrezepten über die Hitze in der kleinen Werkstatt auf die beruflichen Fähigkeiten ihres ersten Lehrherrn.
    Gute Vorarbeit zählte. Zuerst die Idee. Papier und Stifte für eine Zeichnung. Sie schwärmte ihm von einer filigranen Fassung für einen Rubin vor, von dem sie annahm, dass der Stein im Tresor lag. Dieser Rubin würde das Herzstück eines Colliers werden, rund herum Diamantsplitter.
    Mehrfach nickte er, sichtlich amüsiert über ihren Eifer. Dann drehte er sich der Tür zu. «Ich geh mal rauf und kümmere mich drum, dass du ’ne Suppe kriegst. Ich weiß nur nicht, ob Eier da sind.»
    «Lass die Tür bitte auf», sagte sie rasch und trotzdem beiläufig, als er hinausging und nach der Klinke griff. «Es ist so warm hier drin.»
    Er antwortete ihr nicht, stieg die Treppe hinauf. Sie hörte seine Schritte noch, als er durch die Diele ging. Dann wurde oben eine Tür geöffnet und gleich wieder geschlossen, die zur Küche, nahm sie an. Sie hörte seine Stimme, zu gedämpft, um zu verstehen, was er sagte.
    Sie wartete noch ein paar Sekunden, ob er ihrer Bitte nachkam und Alwine Retling in die Küche herunterholte. Als nichts geschah, was darauf hindeutete, trat sie zögernd in den Gang hinaus. Vielleicht stand ihr Koffer ja in der Diele. Er stand bestimmt dort, wenn Heiko ihn zwischenzeitlich aus dem Auto geholt hatte. Ihre Handtasche hatte er ja auch achtlos auf die Mauer gelegt. Welchen Grund hätte er haben sollen, ihren Koffer woanders hinzubringen, solange er nicht misstrauisch geworden war? Vielleicht brachte er den Koffer sogar später mit hinunter, zusammen mit der Decke, dem Papier und Stiften. Doch darauf wollte sie nicht warten.

    Dorothea telefonierte nur eine knappe Viertelstunde lang. Während ihre Tochter mit vor Eifer zwischen die Zähne geklemmter Zungenspitze zwei gefüllte Kaffeetassen und ein Glas Orangensaft auf einem Tablett hereinbalancierte, wählte Dorothea eine Nummer nach der anderen und sagte jedes Mal ihren Spruch auf. Die Stimme locker und lässig, mit leicht vulgärem Unterton. Anfangs hörte Edmund ihr noch zu, versuchte sich zu erinnern, ob, wo und wann er den Namen Gerda schon einmal gehört hatte. Aber als Paul zu reden anfing, schloss Dorothea die Flurtür und dämpfte ihre Stimme damit zu einem unverständlichen Murmeln.
    Paul wollte keinen Cognac, nahm sich den zweiten, für Dorothea gedachten Kaffee. Und wenn Edmund befürchtet hatte, die Nachricht

Weitere Kostenlose Bücher