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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Knast. Da kriegt er manchmal so ’n Rappel und quatscht dummes Zeug. Wird Zeit, dass er ’ne Frau in die Finger bekommt. Wenn wir das hier geschafft haben, kann er sich mal richtig austoben, sich auch drei Nutten auf einmal leisten, wenn er meint, dass er das braucht. Bis dahin muss er sich halt am Riemen reißen. Er wird dich nicht anfassen, würde er nie riskieren. Aber ich will auch nicht, dass er dich blöd anquatscht, okay?»
    Neben der hüfthohen Mauer blieb er stehen, den Arm immer noch um ihre Taille. Er schaute sie an, ganz ernst und ein bisschen besorgt, wie es schien. Über seine Schulter hinweg blickte sie auf die Garderobe. Seine Jacke hing dort, ihre Handtasche lag darunter auf dem Schuhschrank.
    «So empfindlich bin ich nicht», antwortete sie. «Und wenn du mir sagst, dass er mich nicht weiter belästigt, ist das in Ordnung.»
    Der Dicke stand in der Küche am Herd und füllte drei Teller, als sie eintraten. Das Deckenlicht brannte, zusätzlich zwei Leuchten über der Arbeitsplatte und das Licht der Dunstabzugshaube. Ob Heiko sich überzeugt hatte, dass der Rollladen vor dem Fenster nicht den kleinsten Schimmer nach draußen ließ?
    Zwei Teller brachte der Fettwanst zum Tisch, während Heiko ihr den Stuhl am Kopfende zurechtschob. «Setz dich, Püppi, guten Appetit.»
    «Kann ich mir noch rasch die Hände waschen?», bat sie.
    «Selbstverständlich», sagte er und deutete auf die Spüle.
    Hinter der Abtropffläche stand ein Spender mit Flüssigseife. Der Dicke eilte dienstbeflissen zu dem Schrank, in dem Geschirr- und Küchentücher lagen. Er reichte ihr eins. Das Klofenster konnte sie vergessen.
    Heiko setzte sich neben sie an die Längsseite des Tisches. Der Dicke brachte einen dritten Teller, stellte ihn ab und fasste nach der Lehne eines Stuhls, als wolle er sich zu ihnen setzen. Heiko schüttelte den Kopf. «Schon vergessen, was ich dir eben gesagt hab? Trag deinen Fraß nach oben. Aber bevor du dir die Wampe vollschlägst, kriegen die beiden Alten etwas. Und sorg dafür, dass die Frau auch wirklich isst. Das läuft hier nicht mit Hungerstreik.»
    Zu ihr sagte er anschließend: «Heute Mittag hat Frau Retling nichts angerührt. Sie isst erst wieder etwas, wenn wir ihr klipp und klar sagen, wann wir wieder verschwinden, erklärte sie. Mut hat sie ja, das muss man ihr lassen.»
    Er stieß anerkennend die Luft aus. «Schadet ihr wahrscheinlich auch nicht, wenn sie mal ’ne Mahlzeit ausfallen lässt. Aber ’nen Dauerzustand wollen wir daraus nicht machen. Was meinst du, Püppi, wie lange brauchen wir?»
    Sie hatte wieder ein ungutes Gefühl. Seine Stimme klang anders. Nicht lauernd, nicht schärfer, nur anders, irgendwie künstlich oder falsch. Sie hätte es nicht genau bezeichnen können.
    «Ich weiß es nicht, Heiko. Ein paar Tage, schätze ich. Wenn es nicht zu aufwendig werden soll.»
    «Ein paar Tage?», wiederholte er skeptisch. «Hast du mir damals nicht erzählt, dass der Alte über ’n Monat an dem Kram gesessen hat?»
    Der Dicke hatte sich noch nicht von der Stelle gerührt, stand unverändert da, mit einer Hand auf der Stuhllehne, und schaute sie an. Vielleicht wartete er auch auf ihre Antwort.
    «Sicher», sagte sie. «Aber das lag am Kunden, der hatte bestimmte Vorstellungen, und dann gefiel ihm dies und das und jenes nicht. Es musste vieles wieder umgearbeitet werden. Ein Armband zum Beispiel, Tricolor, da mussten die Steine alle umgesetzt werden. Das war ein Heidenaufwand.»
    Sie griff nach ihrem Löffel und begann zu essen.
    «Ach so», sagte Heiko und deutete mit dem Kopf zum Herd hin.
    Da bewegte der Dicke sich endlich wieder dorthin, füllte noch zwei Teller und steckte sich zwei Löffel in die Hosentasche. Anschließend band er sich ein Geschirrtuch vors Gesicht, nur die Augen blieben frei. Dann nahm er die beiden Teller und trug sie zur Tür. Die Klinke drückte er mit dem Ellbogen nieder und zog die Tür mit einer Schulter nach innen auf. Schließen konnte er sie auf die Weise nicht mehr.
    Sie rechnete damit, dass Heiko aufstehen und die Tür schließen würde, aber er griff ebenfalls nach seinem Löffel. So konnte sie den Schritten des Dicken nachhorchen, durch die Diele, die Treppe hinauf, oben wurden sie von einem dicken Teppich verschluckt. Aber die Zwischendecke war wie die Treppe aus Holz und knarrte unter dem einen oder anderen Schritt. Im Geist sah sie ihn zur Tür des Schlafzimmers gehen. Die lag der Treppe genau gegenüber, es waren nur zwei oder drei Schritte. Er

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