Hoffnung am Horizont (German Edition)
überhören. Matthew bewegte seine Backenknochen, um zu testen, ob noch alles heil war. „Gut zu wissen, dass sich in den letzten acht Jahren nicht alles geändert hat.“ Er blinzelte, um den Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben, hob seinen Hut auf, der neben ihm gelandet war, und klopfte ihn an seinem Oberschenkel ab.
Er könnte versuchen, selbst einen guten Schlag zu landen. Vermutlich würde Johnny sich nicht einmal dagegen wehren. In seiner ganzen Kindheit und Jugend war er für die Körpergröße seines Bruders dankbar gewesen. Die gleiche rohe Stärke, die ihn soeben zu Boden geworfen hatte, hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet.
Matthew verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. „Wenn du wusstest, dass sie dich nur geheiratet hat, um aus dem Bordell herauszukommen, warum hast du es dann getan?“
Johnny zog eine Braue in die Höhe. „Ich habe nie gesagt, dass sie mich nur aus diesem Grund geheiratet hat. Ich habe dir nur darin recht gegeben, dass sie mich nicht liebt.“ Johnnys Blick wanderte zu der geschlossenen Tür, während er den kleinen Raum mit vier langen Schritten durchquerte. Er legte das nächste Holzstück in die Flammen und sah zu, wie die Funken den Kamin hinaufflogen, während er seinen großen Körper in einen Schaukelstuhl fallen ließ. Die Holzverbindungen knarrten unter seinem Gewicht, als würden sie sich jeden Moment geschlagen geben. „Ich weiß, dass Annabelle mich nicht liebt, Matthew.“ Seine Stimme wurde weicher. „Wenigstens noch nicht. Und nicht so. Aber das wird sie mit der Zeit noch. Ich vertraue darauf, dass sie lernen wird, mich zu lieben.“
„Du vertraust darauf, dass sie lernen wird …“ Matthew atmete scharf aus. „Du glaubst wirklich, eine …“
Johnnys Augen funkelten ihn warnend an.
Dieses Mal reagierte Matthew auf die Warnung. „Dass eine Frau wie sie lernen kann, einen Mann zu lieben? Nach allem, was sie getan hat? Nach dem, was sie gewesen ist?“
„Genau das glaube ich. Ein Mensch kann nichts geben, was er nicht hat, Matthew. Aber ich glaube, dass Menschen sich ändern können, wenn sie eine Chance und die nötige Kraft dazu bekommen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Schau mich an. Ich habe mich geändert.“
Matthew berührte wieder sein Kinn und nickte. „Das habe ich gemerkt.“
Johnny begann langsam und rhytmisch zu schaukeln und entschied sich, seine sarkastische Bemerkung zu übergehen. „Erinnerst du dich an das Fohlen, das uns auf unserer Farm zulief, als wir noch Kinder waren? Es hatte am ganzen Körper Spuren von Misshandlungen. Und es hatte viele Narben an seinem Widerrist.“
Matthew unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen, da er bereits sah, worauf das hinauslief.
„Es wollte zu niemandem kommen. Es hatte Angst und war verletzt und hatte Hunger. Alle anderen sagten, dass wir das Tier von seinen Qualen erlösen sollten.“ Mit dem Daumen und Zeigefinger bildete Johnny eine unsichtbare Waffe und tat, als drücke er den Abzug. „Die anderen konnten nicht sehen, was ich sah.“ Er schüttelte den Kopf, beugte sich vor, stützte die Unterarme auf seine Oberschenkel und stellte seine langen Beine weit auseinander. „Wenn ich es gelassen hätte, hätte es an diesem ersten Nachmittag den ganzen Sack Hafer leergefressen. Ich habe den ganzen Winter gebraucht, um es so weit zu beruhigen, dass es mich in seine Nähe ließ … und bis es mir so weit vertraute, dass es sich von mir berühren ließ. Erinnerst du dich, wie es gekommen ist, wenn ich nach ihm pfiff?“ Ein tiefes leises Lachen drang aus seinem Brustkorb hervor. „Und du hast es immer wieder versucht und nach ihm gepfiffen, aber es hat dich nicht einmal angeschaut.“
Matthew erinnerte sich an das Pferd. Es war eine hässliche Stute gewesen, auch als sie schließlich voll ausgewachsen war. Überall voller Narben und mit einem schäbigen Fell, das ungleichmäßig auf der vernarbten Haut nachgewachsen war. Während er mit der Zunge über seine blutige Lippe fuhr, beschloss er, diese Gedanken für sich zu behalten.
„Genauso sind auch einige Menschen, Matthew. Sie wurden verletzt.“ Johnnys Flüstern wurde leiser und war durch das Knarren des Schaukelstuhls hindurch kaum noch zu verstehen. „Sie sind innerlich gebrochen und meinen, sie wären nicht viel wert.“ Er nahm einen Becher vom Tisch und goss langsam den Inhalt auf den festgestampften Lehmboden. „Sie denken, ihr Leben wäre wie dieses Wasser hier. Es wurde auf den Boden gegossen und kann nicht
Weitere Kostenlose Bücher