Hoffnung am Horizont (German Edition)
Tribut.
„Er ist der Einzige, der sich auf deine Anzeige gemeldet hat, Annabelle. Du bekommst vielleicht keine andere Gelegenheit mehr, in diesem Frühling aufzubrechen.“ Als sie ihm immer noch keine Erklärung gab, trat er näher. „Bitte hilf mir zu verstehen, was gerade hier passiert ist. Ich habe mit diesem Mann eine ganze Stunde gesprochen und er schien für die Stelle wie geschaffen zu sein, wenn ich das noch mal erwähnen darf. Dann bringe ich ihn hinter das Haus, um ihn dir vorzustellen, und er benimmt sich, als hätte er ein Gespenst gesehen.“
Der Schmerz, den sie in Matthews Augen gesehen hatte, ließ Annabelle immer noch nicht los. Sie hatte diesen Blick erst ein einziges anderes Mal in ihrem Leben in den Augen eines Mannes gesehen, und dieser Mann hatte auch um seinen verlorenen Bruder getrauert.
„In gewisser Weise hat er wirklich ein Gespenst gesehen, Patrick. Den Geist meines verstorbenen Mannes. Der Mann, mit dem du gesprochen hast …“ Sie zog eine Braue in die Höhe. „Der Mann, den du für so passend hältst … ist Jonathans jüngerer Bruder.“
* * *
Matthew blieb erst stehen, als er das Ufer des Fountain Creek am Stadtrand erreichte. Er ließ sich in den Schatten einer großen Pappel fallen und warf seinen Hut neben sich. Er rang nach Luft. Sein Bauch schmerzte und er lehnte sich an die raue Rinde hinter sich und hoffte, der Schmerz würde vergehen.
Johnny … war tot. Er konnte es nicht glauben.
Aber als er dieser Frau vor ein paar Minuten in die Augen geschaut hatte, und nachdem ihm die Geschichte vorher schon von Pfarrer Carlson erzählt worden war, wusste er, dass es stimmte.
Oh, Gott …
Matthews Magen rebellierte plötzlich und er schaffte es gerade noch, zu den Sträuchern zu kommen, bevor er sich übergeben musste. Nachdem die Übelkeit vorbei war, kroch er an den Rand des Flusses, trank vorsichtig ein paar Schlucke und lehnte sich dann an den grasbewachsenen Hang zurück. Er wischte sich über das Gesicht und atmete stoßweise aus. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er ins Sonnenlicht, das an einigen Stellen durch das Blätterdach der Weiden über ihm drang. Ein warmer Wind bewegte die Zweige und ließ die Blätter rascheln.
Er drehte sich um und konzentrierte seinen Blick auf den Fluss, der innerhalb seiner lehmigen Ufer viel Wasser führte, da der Winterschnee bei den warmen Frühlingstemperaturen schmolz und das Schmelzwasser aus den höheren Gefilden ins Tal floss. Wie konnte Johnny tot sein? Warum war er noch immer mit dieser Hure zusammen gewesen? Matthew hatte damit gerechnet, dass sein Bruder zur Vernunft kommen und sich wieder von ihr trennen würde. Aber Johnny war schon immer zu gutgläubig gewesen. Und wohin hatte ihn das gebracht?
Matthew setzte sich auf, stützte die Unterarme auf seine Knie und legte den Kopf in seine Hände, bis das Pochen an den Schläfen und die Übelkeit in seinem Magen schwächer wurden. Er atmete schwer aus und rieb sich die ungewohnten Tränen von den Wangen. Erschöpft, ohne einen Ort, an den er gehen konnte, und so einsam, wie er es noch nie in seinem Leben gewesen war, legte er sich wieder hin und hörte zu, wie das eisige Wasser an ihm vorbeiplätscherte, während die Ereignisse dieses Tages vor seinem inneren Auge vorüberzogen.
Nichts war so gekommen, wie er es erhofft hatte. Er war auf der Flucht, hatte kein Geld, keine Arbeit, noch nicht einmal eine Aussicht auf Geld oder Arbeit … und er hatte Johnny verloren. Selbst wenn er das ganze Geld besäße, das er sich unten in Texas erträumt hatte, gäbe er gern alles her, nur um seinen Bruder zurückzubekommen.
* * *
Als er später aufwachte, war die Nachmittagssonne bei ihrem täglichen Lauf zu den felsigen Gipfeln im Westen schon ziemlich weit vorangekommen. Sein Magen schmerzte immer noch, aber jetzt hauptsächlich, weil er leer war, und nicht mehr so sehr, weil Matthew innerlich aufgewühlt war. Das Gespräch mit dem Pfarrer kam ihm wieder in den Sinn. Er dachte an das, was Carlson über „das Ehepaar“ gesagt hatte.
Der Pfarrer hatte über den Tod des Mannes nur gesagt, dass er an einer Herzerkrankung gestorben sei. Da er erkannt hatte, was für eine Frau Annabelle Grayson war – betrügerisch und manipulierend –, fragte sich Matthew unwillkürlich, ob sie irgendetwas damit zu tun gehabt hatte. Er wusste mit Sicherheit, dass sie seinen Bruder nur geheiratet hatte, um aus dem Bordell herauszukommen und sich so viel wie möglich von seinem
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