HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
zulassen, dass sie ihn bemitleidete. Alles, nur das nicht.
Indes – Mitleid war es nicht gewesen, das sie veranlasst hatte, so leidenschaftlich zu reagieren. Anfangs hatte sie sich gesträubt, was ihn nicht überraschte, wenn er sich bewusst machte, wie heftig seine Umarmung gewesen war. Heißer Zorn hatte ihn gepackt bei der Vorstellung, dass sie ihm eine solche Gemeinheit zutraute, doch sein Zorn war innerhalb von Sekunden verflogen. Ihre Lippen zu berühren hatte sein Schicksal besiegelt. Er hatte sie halten wollen, liebkosen, küssen, bis sie beide vor Wonne vergingen. Der Himmel allein wusste, was geschehen wäre, wenn sie nicht gestört worden wären – und er wusste, dass sie zumindest diesmal keine Chance gehabt hätte, ihm zu widerstehen. Er sollte sich in Grund und Boden schämen.
Hugo schlug den Weg zum Wald ein. Er hatte sich wie ein Wüstling benommen, genau die Sorte Mann, die er sein Leben lang verachtet hatte. Er würde weiterlaufen, bis er nicht mehr konnte, weit genug, dass Emma Fitzwilliam sich im Haus ihres Vaters in Sicherheit bringen konnte.
„Oh Liebes“, rief Jamie begeistert aus. „Das ist eine großartige Idee, Emma …“
„Aber leider nicht durchführbar“, mischte sich die Dowager Countess ein und tätschelte Emmas Hand, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. „Wir können Major Stratton nicht einfach allein zurücklassen. Das wäre der Gipfel des schlechten Benehmens, vor allem, weil sein Bruder den Familiensitz verschlossen hat. Wohin sollte der arme Mann gehen?“
Emma unterdrückte eine unschickliche Bemerkung, die ihr in den Sinn kam. Sie fühlte sich hin und her gerissen zwischen Ärger und Schuldgefühlen und durfte sich keines von beiden anmerken lassen. „Er könnte mitkommen, Madam“, schlug sie vor und versuchte, so heiter wie immer zu klingen. „Ich bin sicher, dass ein Klimawechsel seiner Genesung zuträglich wäre. Er könnte sogar eine Trinkkur machen. Man sagt den Heilquellen von Epsom nach, dass sie wahre Wunder bewirken.“
„Wenn man den fauligen Geschmack erträgt“, ließ sich Richard von dem Sessel am Kamin her vernehmen.
Alle lachten. Emmas Anspannung ließ nach. Über das, was geschehen war – und über ihre seltsamen Gefühle dabei –, würde sie später nachdenken, wenn sie allein war.
„Wir könnten es schaffen, ihn zu überreden“, fügte Richard nachdenklich hinzu. „Er war ein echter Pferdenarr und hat früher immer große Begeisterung für die Rennen gezeigt. Fast genauso viel wie für die Armee, möchte ich behaupten. Aber es wird von dir abhängen, mein Schatz“, versetzte er und sah seine Gattin liebevoll an. „Fühlst du dich einer solchen Reise gewachsen? Der Arzt meint, du müsstest dich schonen …“
„Wenn es nach dem Doktor gegangen wäre, hätte ich den ganzen Sommer im Bett verbracht und nicht einmal den kleinen Finger gerührt“, erklärte Jamie entschieden. „So schlecht geht es mir nicht, Richard. Ich bin nicht krank. Außerdem bin ich noch nie beim Derby gewesen. Sicher wird es mir sehr gefallen.“ Sie wandte sich an Emma. „Dir ebenfalls, Liebes.“
Emma sah die junge Countess überrascht an. Irgendetwas war ungewöhnlich an der Art, wie sie sprach. Doch das unternehmungslustige Glitzern in Jamies Augen verriet sie: Sie führte etwas im Schilde. Wenn es nach ihr ging, war die Reise nach Epsom eine ausgemachte Sache – und auch Major Stratton würde in diesem Punkt keine Wahl bleiben.
Jamie lächelte ihr verschwörerisch zu. Offensichtlich war sie überzeugt, die Pläne der Freundin zu unterstützen.
Emma indes wusste nicht im Entferntesten, was sie von Major Stratton erwartete. Nicht jetzt und hier jedenfalls. Sie musste unbedingt nach Hause.
„Mama, du wirst dich Emmas Einladung anschließen, nicht wahr?“, drängte Jamie. Die Dowager Countess wirkte für einen Moment irritiert, dann allerdings lachte sie, als Jamie hinzufügte: „Auf keinen Fall dürfen wir zulassen, dass der Major glaubt, er habe bei dir einen alternativen Zufluchtsort zur Verfügung. Wir alle müssen zum Derby.“
„Ich bin froh, dass das geklärt ist“, meinte Emma und schob die Gefühle beiseite, die sie zu überwältigen drohten. Sie erhob sich von ihrem Platz neben der Dowager Lady Hardinge. „Papa wird sich freuen. Aber nun muss ich nach Hause, um meine Vorbereitungen zu treffen. Gleich morgen früh kehre ich nach London zurück.“ Sie verzog das Gesicht. „Wie es aussieht, kann die Saison ohne mich nicht
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