HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
erklärte Tante Augusta hochzufrieden.
Emmas Hand zitterte ein wenig, als sie die Tasse zum Mund führte. Kit Stratton würde kommen? Nie hätte sie geglaubt, dass die Matronen ihren Töchtern gestatteten, in seiner Gesellschaft zu weilen, doch offensichtlich hatten sie die Einladung akzeptiert. Die Anwesenheit Tante Augustas und der Dowager Countess hatte sie vermutlich beruhigt, dennoch … Nun, vielleicht war Kits Ruf gar nicht so schlecht, wie Hugo behauptet hatte.
Tante Augustas Redefluss versiegte keinen Augenblick. „Ich dachte mir, er könnte seinem Bruder eine Hilfe sein, da der Major nicht im selben Maße beweglich ist wie die jüngeren Herren. Und Mr. Stratton ist ein wirklich gewinnender Gentleman. Meine Freundinnen schätzen ihn ungemein. Seit seiner Ankunft in London ist er zu allen wichtigen Veranstaltungen hinzugebeten worden.“
Zweifellos, dachte Emma bei sich. Was hatte Hugo noch gesagt? Dass Kit die Gabe besaß, überall ein gern gesehener Gast zu sein – ja, das war es. Warum hatte sie selbst dann solche Vorbehalte gegen ihn? Sie war nicht sicher, woran es lag, indes vermutete sie, dass sie einen Teil seines Charakters gesehen hatte, den er gewöhnlich sorgfältig zu verbergen verstand. Der Mann, den sie in der Halle von Longacres beobachtet hatte, war zu sehr darauf bedacht gewesen, ein absolut perfektes Bild zu präsentieren, und er konnte seinen Charme nach Belieben einsetzen. Er wusste, wie man Menschen manipulierte, und zu seinem eigenen Vorteil würde er das auch tun.
Was Kit Stratton anging, so musste sie wachsam sein.
4„Gütiger Himmel, wer ist denn dieses unglaubliche weibliche Wesen?“
In der Barouche der Fitzwilliams wandten sämtliche Insassen ihre Köpfe in die Richtung, in die Kit Stratton blickte. Er starrte eine ältere Dame in einer prächtigen, höchst altmodischen Chaise an. Ihre Garderobe war vor dreißig Jahren der allerletzte Schrei gewesen – Puder und Schönheitspflästerchen, ein ausladender Federhut und ein gestreiftes Brokatkleid über einem breiten Reifrock. Richard, der still neben seiner Gemahlin gesessen hatte, lachte leise. „Du kennst sie nicht, Kit? Das ist die verwitwete Lady Luce. Ich hätte gewettet, dass du ihr bereits begegnet bist, wenn man bedenkt, wie häufig du die Kartentische besuchst. Sie …“ Ein diskretes Hüsteln von Jamie unterbrach ihn mitten im Satz.
„Ich glaube, Lady Luce war in ihrer Jugend eine bewunderte Schönheit“, sagte Jamie ruhig. „Soweit ich weiß, verabscheut sie die heutigen Sitten und Gebräuche, daher hält sie sich auch nicht daran. Haben Sie ihren Sohn kennengelernt, den jetzigen Earl?“
Emma lächelte über Jamies Gabe, das Thema zu wechseln, damit nicht weiter über Kits schlechte Gewohnheiten gesprochen wurde. Die Dowager Countess Luce war bekannt für ihre Spielleidenschaft. Sie gewann und verlor hohe Summen und brachte ihren Sohn, der für ihre riesigen Schulden aufkommen musste, schier zur Verzweiflung. Eine Begegnung mit Lady Luce wäre Kit gewiss in Erinnerung geblieben, denn sie hätte ihn bei der ersten Gelegenheit bis aufs Hemd ausgezogen – und was hätte Kit Stratton dann getan?
Jamie fuhr mit ihrer höflichen Konversation fort, während Emmas Gedanken abschweiften. Doch nachdem er einige Minuten neben Sir Edwards Barouche still verweilen musste, wurde Kits schwarzer Hengst unruhig. Ganz offensichtlich war er es nicht gewohnt, sich zwischen so vielen lauten und lebhaften Menschen aufzuhalten. Ohne jedes Mitleid stellte Emma fest, dass das Tier eine schlechte Wahl für diesen Ausflug war. Pferd und Reiter mochten ein imponierendes Bild abgeben – vor allem für leicht zu beeindruckende junge Damen –, indes war der Rappe für Epsom viel zu hochgezüchtet. Dennoch musste sie Kits Geschick bewundern, denn er hielt das kraftvolle Ross mühelos im Zaum.
Emma fragte sich, ob Hugo bald in der Lage sein würde, an der Seite seines Bruders zu reiten. Während der Wochen, die sie in London verbracht hatte, hatte er bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Den Stock benötigte er überhaupt nicht mehr, und seine Narbe verblasste. Ohne Zögern hatte er eingewilligt, beim Derby dabei zu sein.
Kits tänzelndes Pferd erregte ein weiteres Mal ihre Aufmerksamkeit, und sie sah bewusst in eine andere Richtung. Sie hätte selber gern im Sattel gesessen, doch die Etikette verlangte, dass eine Dame, wenn sie überhaupt am Derby teilnahm, brav in Begleitung einer Chaperone mit der Kutsche anreiste. Ausnahmen gab
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