HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
auf, als Emma hereinkam. Diesmal saß er auf einem bequemen Stuhl, und es fiel ihm schwer, sich zu erheben, da er seinen Stock nicht dabeihatte. Die Anstrengung war seinem Gesicht anzusehen. Schuldbewusstsein konnte Emma allerdings nicht darin entdecken. Sie blieb einen Moment stehen, damit er Zeit hatte, sich zu fassen, ehe er ihr die Hand reichte. Der Butler zog sich indessen diskret zurück.
Sie wartete, bis Digby die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen“, äußerte sie dann mit einer Heiterkeit, die sie selbst erstaunte. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut nach den Anstrengungen der letzten Nacht.“
Hugo verneigte sich, runzelte jedoch die Stirn, als suche er nach einer doppelten Bedeutung in ihren Worten oder als fühle er sich durch sie angegriffen. Emma zwang sich, höflich und beherrscht zu wirken, obwohl sie innerlich kochte. Wie konnte er es wagen? Sie hatte schließlich nichts falsch gemacht!
„Ich vermute, Ihr Bruder ist inzwischen nach London abgereist?“, fuhr sie rasch fort. „Wie schade, dass er nicht bleiben konnte, um Richards Mutter kennenzulernen. Ich bin überzeugt, Lady Hardinge hätte gern seine Bekanntschaft gemacht.“
Emma verstummte. Warum plapperte sie so daher? Sie hatte doch unbedingt gefasst bleiben wollen.
Hugo sah sie prüfend an. Sie hoffte, dass er den Aufruhr hinter ihrer höflichen Fassade nicht bemerkte.
„Zweifellos“, entgegnete er. „Kit war schon immer ein Charmeur.“
Emmas Sinne waren aufs Höchste gespannt, und keine Nuance seiner Stimme entging ihr. Hätte er sich irgendwie verraten, hätte sie es bemerkt. Aber was sie hörte, war pure Ironie, hinter der sich noch etwas anderes zu verbergen schien. War es womöglich Neid? Sicher, die Unterschiede zwischen den Brüdern waren unübersehbar, dennoch …
„Darf ich Ihnen sagen, wie blühend Sie heute aussehen, Madam?“ Hugos Bemerkung unterbrach ihre Gedanken. „Allem Anschein nach bekommt Ihnen der Aufenthalt in Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass Ihre Gäste sich blendend amüsiert haben.“
Emma ließ sich nicht täuschen. Offensichtlich missbilligte er, dass sie das Tanzen erlaubt hatte, und war entschlossen, sie in die Defensive zu drängen. Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Eine gute Gastgeberin“, versetzte sie knapp, „beachtet die Bedürfnisse ihrer Gäste. Und wenn deren Wünsche – nun, ein wenig unkonventionell sind, wird sie alles tun, damit niemand in Verlegenheit gerät.“
Mit leisem Triumph bemerkte sie, dass die Andeutung eines Lächelns um Major Strattons Lippen spielte. Er legte den Kopf schräg, als könnte er sie so besser ansehen. „Und Sie, Madam, sind zweifellos eine hervorragende Gastgeberin.“ Seine Worte klangen ernsthaft, indes lag ein gewisses Funkeln in seinen Augen, das sie davor warnte, ihm zu glauben. Er würde immer einen Weg finden, ihr Paroli zu bieten. Und außerdem war er offensichtlich ein geübter Schwindler.
Emma knickste. Sie musste von ihm fortkommen. „Danke, Sir“, erwiderte sie und flüchtete sich ein weiteres Mal in Konventionen. „Sie sind sehr freundlich. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden – ich will noch zum Witwensitz reiten. Mein Pferd wartet schon.“
Hugo verbeugte sich ein wenig steif. „Ich hoffe, Sie treffen die Dowager Countess nach ihrer Reise bei gutem Befinden an. Ich weiß, Richard ist froh, dass seine Mutter wieder zurück ist. Er macht sich Gedanken um die Gesundheit seiner Gemahlin.“
Emma sah auf. Zum ersten Mal hatte Hugo sie an seinen Gedanken teilhaben lassen. Er schien sich wegen Richard zu sorgen – und erleichtert zu sein, dass die verwitwete Lady Hardinge zugegen war, um die Last mit ihrem Sohn gemeinsam zu tragen.
Doch das ergab keinen Sinn. Schärfer, als es ihre Absicht gewesen war, gab sie zurück: „Jamie wird nicht erlauben, dass man sie verhätschelt, nicht einmal Richard und seiner Mutter. Sie müssten ihre Geschichte kennen, um das zu verstehen. Sie …“
„Ich weiß“, unterbrach er sie leise.
Oh je. Jamie und Hugo schienen einander näher zu stehen, als sie es vermutet hatte. Wenige Menschen kannten das Geheimnis, wie Jamie sich als Gartenjunge verkleidet hatte, um ihrer Stiefmutter zu entkommen – und wie Richard sie ohne zu zögern geheiratet hatte, als er herausfand, wer sie wirklich war.
Der arme Richard!
„Lady Hardinge hat es mir selbst erzählt“, fuhr Hugo fort. „Ich glaube, sie tat das, um mir zu zeigen, dass es auch in
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