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HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

Titel: HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JOANNA MAITLAND
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bringt.“
    „Vielen Dank, Digby, ich …“
    „Ich werde Mylady am besten ausrichten, dass Sie sich noch ein wenig schwach fühlen, nicht wahr? Und dass Sie in wenigen Augenblicken zu ihr kommen werden?“
    „Danke, Digby, das werde ich. Gleich.“ Emma hatte ihm den Rücken zugewandt und beschäftigte sich damit, ein seltsam geformtes Blatt zu begutachten, während sie hoffte, ganz vertieft zu wirken. Ihr plötzliches Interesse an Pflanzen sollte ihren angestrengten Tonfall kaschieren – und ihre zitternden Hände verbergen.
    Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Digby stand hinter ihr und wartete. Warum bloß ging er nicht? Sie wagte es nach wie vor nicht, sich umzudrehen.
    Als er dann sprach, klangen seine Worte, als redete ihr Vater zu ihr. „Ich werde Mylady Ihre Nachricht überbringen. Soll ich auch dafür sorgen, dass Ihre Stute in den Stall zurückgebracht wird.“
    Um ein Haar hätte Emma gelacht, weil sie derart leicht zu durchschauen war. Jedermann wusste, dass ihr erster Gedanke stets den Pferden galt, und nun hatte sie völlig vergessen, dass ihre geliebte Juno draußen vor der Tür wartete. Doch Digby ließ sich nicht täuschen. Und sie wollte vor ihm nicht länger als Feigling dastehen. Langsam wandte sie sich zu ihm um und sagte so ruhig, wie sie es nur vermochte: „Danke, Digby. Sie denken wirklich an alles.“
    Der Butler schien das Muster der Bodenfliesen zu begutachten und schaffte es, hinauszugehen, ohne ihr ein einziges Mal ins Gesicht zu sehen.
    Emma ließ sich auf den Stuhl sinken, von dem Hugo Stratton vorhin aufgestanden war. Das schien Stunden her zu sein. Sie barg das Gesicht in den Händen. Noch immer brannten ihre Wangen – indes nicht in dem Maß wie der Rest ihres Leibes. Hugos leidenschaftliche Küsse hatten jede Faser ihres Körpers zum Glühen gebracht. Nie hätte sie geglaubt, dass dergleichen möglich war. Deshalb wohl achteten Mütter mit Adleraugen darauf, dass ihre heiratsfähigen Töchter nie ohne Chaperone irgendwohin gingen. Und deshalb waren Gentlemen darauf erpicht, die Damen in einen Alkoven oder ein anderes entlegenes Plätzchen zu locken. Wenn schon ein Kuss eine Frau zum Dahinschmelzen bringen konnte, was gab es dann noch in der Liebe alles zu entdecken? Nichts konnte aufregender sein als das, was sie soeben in Hugo Strattons Armen gefühlt hatte. Und doch …
    Hugo zwang sich, seinen Schritt zu beschleunigen. Der Schmerz, den er dabei empfand, war das Mindeste, was er an Strafe verdiente. Er hatte behauptet, er wäre ein Mann von Ehre. Aber welcher Ehrenmann würde die Unschuld einer Frau so ausnutzen, wie er es gerade getan hatte? Abgesehen davon, dass seine Ehre bereits vorher befleckt gewesen war.
    Seine Schuldgefühle drohten ihn zu überwältigen.
    Warum hatte er sich so verhalten? Besaß er denn überhaupt keine Selbstbeherrschung?
    Die Frage war einfach zu beantworten: Nein. Derzeit war es ihm kaum möglich, sich zu kontrollieren, und schon gar nicht, wenn es um Emma Fitzwilliam ging. Er hatte sie vom ersten Augenblick an begehrt, sogar als sie auf seine Narben gestarrt hatte, mit weit aufgerissenen Augen, kerzengerade in ihrem engen Reitkleid, und das Entsetzliche zu begreifen suchte. Er hatte sich gewünscht, irgendwo anders zu sein, nur nicht dort, mitten auf dem weitläufigen Rasen eines englischen Anwesens, ihren Blicken schutzlos dargeboten. Selbst das blutige Schlachtfeld hätte er vorgezogen gegenüber dem Ekel und dem Abscheu, die er in Emmas Gesicht gesehen hatte.
    Oder jedenfalls glaubte, gesehen zu haben.
    Eben noch war er aus der Orangerie geflohen, nun hielt Hugo inne. Er hatte lediglich daran gedacht, Emmas Ruf zu wahren. Sie durfte nicht allein mit ihm angetroffen werden, geschweige denn in seinen Armen. Sein Wunsch, sie zu beschützen, schien ihm ungeahnte Kräfte verliehen zu haben, denn er war fast hundert Yards vom Haus entfernt. Irgendwie hatte er es geschafft, zwischen all den Pflanzen hindurch und weiter in den Garten zu laufen, und das ohne seinen Stock.
    Ein weiterer stechender Schmerz in seinem linken Bein erinnerte ihn an die Versehrung, die er in jeder wachen Stunde zu bekämpfen versuchte. Diesmal weigerte er sich, darauf Rücksicht zu nehmen. Wenn seine Sorge um Emmas Tugend ihn bis hierher gebracht hatte, würde er mit genügend Willenskraft auch wieder ein ganzer Mann werden. Möglicherweise würde er Emma Fitzwilliam niemals genügen, von Narben gezeichnet und entehrt, wie er nun einmal war, aber er würde es nicht

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