Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 7
die man auch in Londoner Stadtteilen wie Mayfair oder Knightsbridge erwartet hätte. Doch die meisten Gebäude waren von fremdartigem Bau. Offenbar gab es in Bombay nur wenige breite Straßen, vielmehr schmale und labyrinthartig angelegte Gassen.
„Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht“, schwärmte Fletcher. „Ich habe als Junge oft Geschichten aus dem Orient gelesen. Aber es ist doch etwas völlig anderes, wenn man plötzlich selbst diese Welt betritt.“
Da konnte Kate nur zustimmen. Das Luftschiff flog eine weite Kurve über Bombay hinweg. Kate schaute hinunter auf die unzähligen Menschen in den exotischen Trachten und Gewändern, die durch die engen Gassen wimmelten. Nur gelegentlich sah man eine britische Fahne an einem Mast oder einen Dampfkutter, der den Weg der majestätischen „Lord Nelson“ kreuzte. Doch die Piloten der wenigen Drehflügler waren ausschließlich Männer, das konnte Kate sogar auf die Entfernung erkennen. Außerdem waren im Vergleich zu London kaum Luftfahrzeuge am Himmel. Kate begriff erst jetzt so richtig, was sie hier zu tun hatte. Sie war eine Botschafterin des Fortschritts in einer teilweise noch mittelalterlichen Welt.
Die Landung auf dem Trafalgar Flugfeld außerhalb von Bombay verlief ohne Probleme. Eine Zollkontrolle mussten Kate und ihre Gefährten nicht über sich ergehen lassen, denn sie befanden sich ja nach wie vor auf britischem Boden.
Ein Armeeoffizier erwartete sie bereits. Seine Rangabzeichen wiesen ihn als einen Colonel aus. Er stand so steif da, als ob er einen Stock verschluckt hätte. Und er salutierte zackig vor Kate.
„Miss Katherine Fenton? Ich bin Colonel Lucius Hempsworth von den bengalischen Lancers. Inspektor Williams hat mich telegrafisch gebeten, Ihnen Ihre Aufgaben zuzuweisen.“ Er runzelte die Stirn, bevor er fortfuhr. „Und Sie wollen sich wirklich an Bord einer solchen Höllenmaschine wagen, Miss Fenton? Eine zarte kleine Lady wie Sie?“
Kate konnte es nicht ausstehen, wenn jemand an ihren Fähigkeiten zweifelte. Entsprechend scharfzüngig fiel ihre Antwort aus. „Falls Sie mit einer Höllenmaschine einen Dampfkutter meinen: Ja, ich werde einen Drehflügler lenken. Ich verdiene nämlich auf diese Weise meinen Lebensunterhalt, Sie werden es nicht für möglich halten.“
Der Offizier räusperte sich verlegen. „Nichts für ungut, Miss Fenton. Mag ja sein, dass sich die Dinge daheim im guten alten England schneller ändern. Hier in den Kolonien leben wir immer noch etwas hinter dem Mond.“
Das kann man wohl sagen, dachte Kate. Aber sie war diplomatisch genug, diese Meinung für sich zu behalten. Stattdessen stellte sie dem Colonel ihre Begleiter vor.
„Sehr gut“, meinte Colonel Hempsworth. „Wenn Sie von der Reise nicht zu erschöpft sind, zeige ich Ihnen gleich mal die Höll… äh … den Dampfkutter, den Sie bei der Flugschau durch die Luft bewegen sollen.“
„Ausgezeichnet“, sagte Fletcher und rieb sich tatendurstig die Hände. „Ich habe an dem Drehflügler noch einige Umbauten vorzunehmen, mit denen wir das Publikum zusätzlich begeistern können.“
Colonel Hempsworth wies einige Kulis an, das Gepäck der Gruppe zu übernehmen. Außerdem sollten sie die Kisten transportieren, in denen Phineas Fletcher die Einzelteile für die Veränderungen an der Flugmaschine aufbewahrte.
Ein einheimischer Mechaniker trat hinzu und übernahm die Führung. Die Gruppe ging auf einen Schuppen am anderen Ende des Fluggeländes zu. Kate hörte, wie der Colonel hinter ihrem Rücken leise auf James einredete.
„Sie sind der Verlobte von Miss Fenton? Alter Junge, verdienen Sie so schlecht, dass Ihr Mädchen sich als Pilotin verdingen muss? Haben Sie mal über eine Laufbahn bei den berittenen Truppen nachgedacht? Sie sind doch ein kräftiger hochgewachsener Bursche. Wir bieten Ihnen gute Aufstiegschancen und nach zwanzig Jahren im aktiven Dienst eine Alterspension.“
„Ein großzügiges Angebot, Sir“, erwiderte James kühl. „Aber meine Kate liebt das Fliegen. Und außerdem könnte ich nicht bei der Kavallerie dienen. Ich werde immer seekrank, sobald ich auf einen Pferderücken steigen muss.“
Kate schob sich den Tropenhelm tiefer ins Gesicht, damit man ihr breites Grinsen nicht bemerkte. Eine bessere Antwort hätte sie dem hoffnungslos altmodischen Offizier auch nicht geben können. Sie wusste schon, warum sie ihren James so liebte.
Als sie den Schuppen betraten, konzentrierte sich Kate ganz auf den Dampfkutter, den sie
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