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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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liebte seine Frau nicht mehr, er fand sie nicht mehr begehrenswert, er wusste nicht mehr, was er reden sollte mit ihr. Es gab keine andere Frau. Es gab keinen Anlass. Er war nur eines Morgens aufgewacht, und die Dinge hatten sich verändert.
    Sollte er in Dingle als verheirateter Mann auf twin rooms mit getrennten Betten bestehen? Sie würde sich trotzdem zu ihm legen. Sie würde sich an ihn schmiegen, sich an ihn drücken, sich an ihm reiben. Sie würde sich auf ihn legen und das Verlorene in seinen Augen suchen, bis er sie wegschob. Sie tat ihm Leid.
    – Such dir doch einen Mann für das Sexuelle, hatte er ihr vorgeschlagen. Ich würde es verstehen. Ich bin nicht eifersüchtig.
    In einem Hotel hätte er vielleicht etwas arrangiert für sie, mit dem Barmann oder einem Hotelgast. Eine kleine Sommerliebe. Warum nicht? Aber in diesem geblümten Zimmer waren sie einander ausgeliefert.
    Er stand auf. Er füllte den Wasserkocher und senkte Teebeutel in die Kanne. Er stellte ihr eine Tasse Tee auf den Nachttisch. Dann ging er zum Fenster. Es nieselte. A soft day. Sie wohnten in Donnybrook im Süden Dublins. Zur Bucht war es nicht weit. Die Woodbine Avenue lag in einer ruhigen Siedlung. Weiß verputzte Häuser mit Mansardendächern, Vorgärten mit exakt geschnittenem Rasen, kunstvoll gestutzten Hecken und üppig blühenden Ziersträuchern an niedrigen Ziegelmauern. Hinter Fensterscheiben eine Warnung an mögliche Einbrecher. Achtung. Wir bewachen unser Viertel. Im Haus gegenüber gingen im ersten Stock die Lichter an. Eine grün gemusterte Tapete war zu erkennen, Pokale auf einem Regal, ein Raum, den ein Ehebett ausfüllte. Eine Frau mit sehr hellem, langem Haar tastete sich die Wand entlang zum Fenster. Sie sah zu ihm herüber. Dann rasselte die Jalousie. Ein Hund schlug an, andere folgten ihm. Ein geducktes Tier mit verhältnismäßig hohen Beinen und buschigem Schweif lief zielstrebig über die Straße und verschwand hinter einer Hecke. Hunde bellten sich heiser. Ein Fuchs.
    Sie hatte den Tee nicht getrunken. Mit schmalen Schultern lag sie gekrümmt im Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Er schlüpfte unter ihre Decke und legte den Arm um sie. Sie rührte sich nicht. Er spürte nicht einmal ihr Atmen. Er wusste, dass sie wach war. Bis zum Morgengrauen lag er da und suchte im Dickicht der wüsten Blütenköpfe an der Mauer nach einem Ausweg.
     
    Die resolute Vermieterin des B&B sprach sehr schnell. Ihrem schnarrenden Englisch entnahm er anfangs nur ein Wort. Doblin. Doblin. Mit der Zeit schälten sich Inhalte aus dem Redeschwall. Es ging um Vorschläge für den Tagesablauf unter Berücksichtigung des Wetters, das, obwohl es seit vier Tagen regnete, nach Ansicht von Miss Eyleen nicht gar so übel war. Am Frühstückstisch saß ein älteres Ehepaar, dem der Besuch der National Gallery nahe gelegt wurde. Ihnen empfahl sie eine Fahrt mit der S-Bahn, die Bucht von Dublin entlang, von Sandycove nach Howth. Er war froh, dass sie ihnen keinen leeren Tisch zugewiesen hatte. Die Frau würde ihn ein Frühstück lang verstimmt anschweigen. Sie wollte nicht begreifen, dass er nur aufgrund der Abmachung mitgefahren war und fest entschlossen, sich daran zu halten. Es wurde immer mühsamer, ein Gespräch mit ihr in Gang zu bringen, das in die alte Vertrautheit mündete und nicht in Feindseligkeit. Das ältere Ehepaar kam aus Canberra und war auf der Suche nach familiären Wurzeln. Sie hatten eine fürchterliche Ankunft in Dublin hinter sich und deshalb Gesprächsstoff für Wochen. Die Fahrt mit der Fähre war sehr unruhig gewesen. Der Seegang machte ihnen zu schaffen. Seine Frau übergab sich über die Reeling, aber der Wind drückte ihr alles aufs Kleid. Keine Möglichkeit sich umzuziehen, weil auch anderen schlecht geworden war. Toiletten und Waschräume unbenutzbar. Diesen Umstand beschrieb der Mann diskret und knapp. Dafür holte er zur Beschreibung der aufgewühlten See weit aus. Er erinnerte sich an die Erzählungen seines Großvaters, der in jungen Jahren auf einer Schitour in einen Schneesturm geraten war. Bei jeder Erzählung wurden die Eisnadeln länger, die ihnen der Wind ins Gesicht trieb. Waves sprach der Mann aus Canberra aus wie wives. In Dublin, bekleckert und grün im Gesicht, endlich wieder auf festem Boden, ging die Irrfahrt weiter. Man hatte ihm gesagt, die Woodbine Avenue finde er in der Nähe der Universität. Nicht wissend, dass es in Dublin mehrere Universitäten gibt, gerieten die Australier in den Norden der

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