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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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Stadt nach Ballymun und fanden sich in einer Straßenschlacht wieder. Berittene Jugendliche. Berittene Polizei. Sirenen. Steinhagel auf Einsatzwägen. Auch auf den Autobus prasselten Steine. Wütend stieg der Autobuschauffeur aus, suchte nach möglichen Lackschäden und gestikulierte mit Polizisten und Anrainern. Dann kletterte er wieder in den Bus und herrschte die Fahrgäste an. Kein Stopp während der nächsten vier Stationen, wir fahren zurück in die Stadt. Der Bus fuhr scharf an, und draußen zielte ein Jugendlicher mit dem Gewehr. Es ging alles so schnell, sagte der Mann aus Canberra, wir sahen den Lauf, der auf uns gerichtet war, in solchen Momenten denkt man nicht, ist es ein Spielzeug, ist es eine Waffe, man denkt, jetzt ist es aus. Der Frau wurde wieder schlecht, der Busfahrer weigerte sich, stehen zu bleiben, und kündigte hohe Reinigungskosten an, sollte sie sich im Bus übergeben. Die übrigen Fahrgäste schienen nicht sonderlich erfreut, aber auch nicht sonderlich überrascht.
    – Es gibt immer Probleme, wenn die Pferdefänger der Stadt unterwegs sind, seufzte Miss Eyleen, die Pferde der Kids sind nicht angemeldet. Das können sie sich nicht leisten, sie haben keine Arbeit. Aber es wird viel getan, um die Situation in Ballymun zu verbessern.
    – Gibt es andere Don’t-Go-Areas?, wollte die Frau aus Canberra wissen.
    – Nein, sagte Miss Eyleen, Dublin ist sicher, Sie können überall hingehen. Aber nicht überall gibt es etwas zu sehen für Sie. Vielleicht wollen Sie sich heute dem netten Ehepaar anschließen? Sie fahren mit der DART-Bahn nach Sandycove und nach Dun Laoghaire und dann hinüber nach Howth.
    Sie waren gemeint mit dem netten Ehepaar, und aus Miss Eyleens Mund klang das Wort couple wie Koppel. Sie sahen sich an. Ein Gewohnheitsblick. Ihr entkam ein kleines, schiefes Lächeln.
     
    Die Australier entschieden sich für einen Ruhetag. Obwohl immer wieder graue Regenschleier über die Stadt trieben, hatte sich eine Gruppe von Kindern mit Badetaschen und aufgeblasenen Schwimmtieren im Waggon ausgebreitet. Auch sie hatte entgegen seines Vorschlages, ohne Gepäck zu fahren, eine große Tasche gepackt. Bücher, Strandtücher, Sweater, Regenjacke, Badekleidung, Fotoapparat, Notizbuch, Ansichtskarten, Wasserflaschen, Kekse, Reiseführer, Stadtplan. Er hatte vorgeschlagen, unterwegs in einem Pub Sandwiches zu essen. Jetzt würde sie ihm Kekse aufdrängen und keine Ruhe geben, bis er nicht zumindest drei Stück hinuntergewürgt hatte. Sie ist stur geworden, dachte er. Stur und unflexibel. Ohne detailgenaue Planung ging nichts mehr bei ihr. Er wusste nicht, woher dieses krampfhafte Bedürfnis nach Sicherheit bei ihr gekommen war. Früher war sie anders. Unbefangen und unbeschwert und nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    In Sandycove klatschte die Irische See gegen die Uferpromenade. Fröstelnde Kinder ließen sich in der kleinen geschützten Sandbucht von auslaufenden Wellen überrollen. Ein Wegweiser wies zum Joyce Museum, einem klobigen grauen Turm. Unterhalb des Turms köpfelten Burschen von den Klippen ins unruhige Wasser. Ohne ihn zu fragen, bezahlte sie Eintritt für zwei Personen. Schweigend betrachteten sie Fotos, Handschriften, Briefe und Bücher des irischen Dichters. Eine Wendeltreppe führte in den Wohnraum des Turms. Hier hatte der Dichter gewohnt, bevor er Irland verlassen hatte und mit Nora Barnacle nach Triest aufgebrochen war, um sein Geld als Sprachlehrer zu verdienen und am Roman Ulysses zu arbeiten, der in diesem Turm seinen Ausgangspunkt nahm. Die enge Treppe wand sich zwischen dicken Mauern nach oben hinaus ins Freie. Eine dunkle Wolkendecke hatte sich über das eben noch leuchtende Meer gelegt und die Hügel des Hinterlandes verschwinden lassen. Unverdrossen sprangen die Burschen unter ihm in weiße Schaumkronen. Er vermisste die Kinder. Der Bub würde auch ins Wasser springen wollen, das Mädchen Anstalten machen, auf der Steinbrüstung des Aussichtsplateaus zu balancieren. Er würde sie hinaufheben und halten, damit nichts passieren konnte. Die Frau würde trotzdem sagen, ihr seid verrückt.
    Die Uferpromenade entlang gingen sie zu Fuß nach Dun Laoghaire. Sie wechselte die Umhängtasche von der rechten Schulter in die Hand auf die linke Schulter. Er nahm sich vor, zu übersehen, dass sie an dieser Riesentasche schwer trug. So war es immer. Seine Vorschläge wurden ignoriert, und am Ende schleppte er Rucksäcke, Taschen und Koffer, die unter Missachtung seiner Einwände

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