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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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Berührung, sogar Ausschnitte aus Gesprächen notierte sie, in der Annahme, sie sei auf dem richtigen Weg. Er sah mich lange und zärtlich an. Ich werde ihm Zeit geben. Sie baute auf den Vollmond und den Zauber der großen Blasket Insel, auf einen einsamen Abend am Strand von Coumenoole. Klappte es in Dingle nicht, waren da noch die Aaran-Inseln und Cape Clear. Er hoffte auf beständiges Schlechtwetter. Was ging dieser Frau durch den Kopf?
    Gefährliche Meeresströmungen alleine erklären die Entstehung von Monsterwellen nicht. Die Bremen und die Endeavour gerieten im Südatlantik in Seenot. Weitab vom gefürchteten Agulhas Strom am Kap der Guten Hoffnung. Inzwischen werden die Wellen von Ozeanologen erforscht. Das Seemannsgarn nimmt Gestalt an. Es gibt Riesenwellen in drei Erscheinungen. Als weiße Wand gleitet eine weißschäumende, fast senkrecht aufgerichtete, bis zu zehn Kilometern breite Welle laut summend durch das Meer. Die drei Schwestern kommen in kurzen Abständen hintereinander. Der Kaventsmann, eine bis zu vierzig Metern hohe Riesenwelle, überragt den normalen Seegang um ein Vielfaches. Der Kaventsmann kommt unvermutet, meist aus einer anderen Richtung als die übrigen Wellen, und stürzt nach wenigen Sekunden in sich zusammen.
    Dingle Town hatte sich verändert und war doch gleich geblieben. Ein lauter, bunter und geschäftstüchtiger Ort mit vielen Pubs, noch mehr Fremden und wenigen Fischern. Der Hafen war vergrößert worden. Dem Dingle Dolfin, einem Delfin, der bei ihrem früheren Aufenthalt erstmals am Eingang zur Hafenbucht gesichtet worden war, hatte die Gemeinde inzwischen ein Denkmal gestiftet und Gott gedankt, dass er den Fisch zur Unterhaltung ihrer Besucher und zum finanziellen Wohlergehen der Gemeinde geschickt hat. Am Abend glitt der Nebel in weichen Wellen vom Rücken des Mount Brandon und weiter über die umliegenden Berge. Über der Bucht lag ein metallener Spiegel. Erst das Aufsteigen des Mondes brachte wieder Bewegung ins Meer. Sie war müde und wollte ins Bett. Ihm war nach Bier und Geigenklängen. Er begleitete sie nach Hause. An der Haustür überlegte sie es sich anders und ging mit ihm. Sie nippte lustlos an ihrem Pint, gähnte ununterbrochen und schnitt Grimassen, weil ihr die Musik zu laut war. Er bezahlte für beide.
    – Warum gehst du nicht nach Hause?, fragte er.
    – Ich bin mit dir hier, sagte sie.
    – Du nervst, sagte er.
    Sie blieb ein paar Schritte zurück, um wortlos hinter ihm herzutrotten. Schweigend legten sie sich ins Hochzeitsbett. Später hörte er sie schluchzen. Er fand keinen Schlaf. Warum kann sie nicht zufrieden sein?, dachte er.
    Mit ihren Irischkenntnissen hatte sie wenig Erfolg. Sie erhielt englische, aber auch französische und italienische Antworten. Es mochte an ihren Zähnen liegen. Sie hatte Schwierigkeiten mit der Artikulation. Jedes Wort klang wie gefaucht. Sie gab nicht auf. In der Buchhandlung, die noch immer an der Dykegate Lane lag, kaufte sie eine neue Karte und ein Sprichwörterbuch in irischer Sprache. Sofort begann sie, laut daraus vorzulesen. Drei Dinge sind schwer zu verstehen. Der Verstand einer Frau. Die Arbeit der Bienen. Das Kommen und Gehen der Gezeiten. Er schwieg. Die Dinge mussten geklärt werden.
    Sorry. The sea is too rough. Heute keine Überfahrt nach An Biascaod Mór, zur großen Blasket Insel. Morgen auch noch nicht. Erst wenn sich das Wetter ändert.
    Er war erleichtert. Auf das Wetter war Verlass. Keine gefährliche Überfahrt in einem wild schaukelnden Boot zum westlichsten Punkt Europas. Keine abgeschmackte Romantik. Kein krampfhaftes Beschwören der Jugendzeit und einer Liebe, die in dieser Intensität ohnehin nur in ihrer Fantasie existierte.
    Ein schöner Tag stand bevor. Picknick am Strand. Lesen. Ausspannen. Reden. Vielleicht ergab es sich.
    Sie waren alleine auf dem Strand von Coumenoole. Sie hatte die Badetücher auf dem Sand ausgebreitet, er Sandwiches ausgepackt und Tomaten geschnitten. Rote Felswände schützten den Strand auf drei Seiten. Vor ihnen brandete grün der Ozean. Dicke Wolken jagten über den Himmel und malten ihre Schatten auf den baumlosen Buckel von Great Blasket. Manchmal gaben sie für einen kurzen Augenblick die Sonne frei, und die Landschaft strahlte in frischen Farben.
    – Weißt du noch, sagte er, das letzte Mal lag da vorne bei den Felsen ein gestrandetes Schiff. Den Kindern würde es hier gefallen. Nächstes Mal nehmen wir sie mit.
    – Gibt es ein nächstes Mal?, fragte sie.
    – Das

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