Hohle Köpfe
Königsstraßenstreife eintrafen.
Sie starrten sie groß an. Sie sahen zu ihren Ohren.
Ihre Blicke wanderten nach unten. Der Schreibtisch hatte keine Rückwand. Wenn man davor stand und den Blick senkte, sah man normalerweise die untere Hälfte von Feldwebel Colon – auf der Liste der erotisch anregenden Dinge stand diese nicht einmal an letzter Stelle.
»Das ist…
Frauen
kleidung, nicht wahr?« fragte einer der Zwerge.
Gertie schluckte. Was
jetzt
? Sie hatte gehofft, daß Angua anwesend war. Die Leute beruhigten sich immer, wenn sie lächelte – es war wirklich bemerkenswert.
»Nun?« brachte sie mit vibrierender Stimme hervor. »Was ist los? Darf ich etwa keine Frauenkleidung tragen?«
»Und… an deinem Ohr…«
»Ja?«
»Das ist… meine Mutter hat nie… Wie abscheulich! Und noch dazu in aller Öffentlichkeit! Was ist, wenn Kinder hereinkommen?«
»Ich sehe deine
Fußknöchel
!« entfuhr es dem zweiten Zwerg.
»Darüber spreche ich mit Hauptmann Karotte«, kündigte der dritte Zwerg an. »Es ist einfach unerhört!«
Zwei der vier Zwerge eilten zum Umkleideraum. Der dritte folgte ihnen, zögerte jedoch, als er auf die Höhe des Schreibtischs kam. Er warf Gertie einen verzweifelten Blick zu.
»Es… äh… sind hübsche Fußknöchel«, sagte er und sprintete davon.
Der vierte Zwerg wartete, bis die anderen drei verschwunden waren. Dann trat er an den Schreibtisch heran.
Gertie zitterte vor Nervosität. »Ich will keine Bemerkungen über meine Beine hören!« sagte sie und hob drohend den Zeigefinger.
»Äh…« Der Zwerg warf einen raschen Blick nach rechts und links und beugte sich dann vor. »Äh… ist das… Lippenstift?«
»Ja! Hast du was dagegen?«
»Äh…« Der Zwerg beugte sich noch etwas weiter vor, senkte die Stimme und fragte in verschwörerischem Tonfall. »Könnte… ich es auch mal versuchen?«
Angua und Karotte wanderten stumm durch den Nebel. Gelegentlich wies Angua knapp die Richtung an.
Schließlich blieb sie stehen. Bisher hatte Dorfls Fährte – eine Spur, die nach altem Fleisch und Kuhdung roch – direkt zum Schlachthausviertel geführt.
»Er ist durch diese Gasse gegangen«, sagte Angua. »Damit kehrt er praktisch in die Richtung zurück, aus der er kam. Und er hat es eiliger. Und… ich rieche auch viele Menschen und…
Würstchen
?«
Karotte begann zu laufen. Viele Leute und Würstchen bedeuteten eine Vorstellung jenes besonderen Straßentheaters, das in Ankh-Morpork als Leben galt.
Weiter vorn hatte sich eine Menge eingefunden. Offenbar weilte sie bereits eine ganze Weile dort, denn eine vertraute Gestalt war dabei. Sie trug einen Bauchladen und versuchte, über die Köpfe der vor ihr Stehenden hinwegzusehen.
»Was ist hier los, Herr Schnapper?« fragte Karotte.
»Oh, hallo, Hauptmann. Man hat einen Golem erwischt.«
»Wer?«
»Oh, einige Burschen. Sie haben sich gerade Hämmer besorgt.«
Vor Karotte drängten sich die Leute zusammen. Er preßte die Hände gegeneinander, rammte sie zwischen zwei Männer und schob sie auseinander. Brummend und widerstrebend teilte sich die Menge vor Karotte wie eine Wassermasse vor einem besseren Propheten.
Dorfl stand am Ende der Gasse. Drei Männer mit Hämmern näherten sich ihm mit einer Vorsicht, die verriet, daß keiner von ihnen als erster zuschlagen wollte, aus Furcht, daß der zweite Hieb ihn selbst traf.
Der Golem kauerte sich nieder und hob seine Schieferplatte wie ein Schild. Darauf stand:
Ich bin 530 Dollar wert.
»Geld?« schnaubte einer der Männer. »Nur daran denkt ihr, wie?«
Die Schieferplatte zersplitterte unter einem Hammerschlag.
Der Mann wollte erneut mit dem Hammer ausholen – und schlug fast einen Salto, als sich das Ding plötzlich nicht mehr von der Stelle rührte.
»Man
kann
nur an Geld denken, wenn man nichts anderes hat als einen Preis«, sagte Karotte ruhig und nahm den Hammer an sich. »Was treibst du hier, mein Freund?«
»Du kannst uns nicht aufhalten!« grollte der Mann. »Jeder weiß, daß Golems nicht leben!«
»Ich kann dich wegen Sachbeschädigung verhaften«, erwiderte Karotte.
»Einer von diesen Kerlen hat den alten Priester ermordet!«
»Ach?« Karotte gab sich überrascht. »Wenn es nur
Dinge
sind… Wie können sie dann einen Mord begehen? Ein Schwert ist ein Ding.« Er zog sein Schwert. Es glitt mit einem seidenen Geräusch aus der Scheide. »Und du gibst doch sicher nicht dem Schwert die Schuld, wenn es jemand auf dich richtet, oder?«
Der Mann schielte, als er
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