Hohle Köpfe
»Gehen wir«, sagte er.
Angua wandte sich dem Königsgolem zu.
Sie widerstand der schrecklich starken Versuchung, sich zu verwan-
deln. Selbst die Zähne und Kiefer eines Werwolfs konnten vermutlich
nichts gegen ein solches… Wesen ausrichten. Es hatte auch gar keine Halsschlagader.
Sie wagte nicht, den Blick abzuwenden. Der Golem bewegte sich unsi-
cher, mit unregelmäßigen Zuckungen – bei einem Menschen ein sicheres
Zeichen von Irrsinn. Seine Arme bewegten sich schnel , aber ruckartig.
Woher auch immer sie ihre Befehle empfingen – die Übertragung schien
gestört zu sein.
»Du zerbrichst!« rief Angua. »Der Ofen war nicht dazu geeignet, Ton
zu brennen!«
Der König sprang ihr entgegen. Sie wich aus und hörte, wie seine Faust
eine Kiste mit Kerzen traf.
»Du taugst nichts! Man hat dich nicht gebrannt, sondern gebacken wie
ein Laib Brot!«
Sie zog ihr Schwert. Normalerweise benutzte sie es nur selten – ein
strahlendes Lächeln erwies sich in fast al en Fäl en als wirkungsvol er.
Eine Hand schlug die Spitze davon ab.
Erschrocken starrte sie auf den Rest der Klinge und wich hastig zu-
rück, als ein weiterer Hieb sie nur knapp verfehlte.
Angua rutschte auf einer Kerze aus und fiel hin, war jedoch geistesge-
genwärtig genug, sich sofort zur Seite zu rollen. Der herabstampfende
Golemfuß traf nur leeren Boden.
»Wo bist du Gertie?« rief sie.
»Kannst du ihn näher zur Tür locken?« fragte eine Stimme aus der
Dunkelheit unter der Decke.
Karotte kletterte in den Holzverstrebungen der Fertigungsstraße.
»Karotte!«
»Bin fast da…«
Der Golemkönig griff nach Anguas Bein. Sie trat mit dem anderen Fuß
zu und traf ihn am Knie.
Zu ihrem großen Erstaunen öffnete sich ein gleißender Riß. Die ein-
zelnen Tonteile schienen auf Feuer zu schwimmen. Ganz gleich, was
man unternahm: Der Golem blieb am »Leben«, auch dann, wenn er nur
noch ein Haufen vom Glühen zusammengehaltener Staub war.
»Jetzt ist es soweit.« Karotte ließ sich von einem Balken fal en.
Er landete auf dem Rücken des Golems, schlang ihm einen Arm um
den Hals und hämmerte mit dem Heft seines Schwerts auf seinen Kopf.
Die weiße Gestalt taumelte und versuchte, sich den menschlichen Reiter
von den Schultern zu ziehen.
»Ich muß ihm die Worte aus dem Kopf holen!« rief Karotte und wich
den tönernen Händen aus. »Das ist die einzige… Möglichkeit!«
Der Königsgolem taumelte nach vorn und stieß gegen einige Kisten.
Sie platzten auf, und Kerzen regneten zu Boden. Karotte griff nach sei-
nen Ohren und versuchte, sie zu drehen.
Angua hörte, wie er folgende Worte ausstieß: »Du… hast… das Recht
auf… einen… Anwalt…«
»Karotte! Halt dich nicht mit seinen verdammten Rechten auf!«
»Du… hast… das Recht auf…«
»Gib ihm endlich den Rest !«
Im offenen Eingang rührte sich etwas. Mumm stürmte mit gezücktem
Schwert herein. »Oh, bei den Göttern… Feldwebel Detritus!«
Der Trol erschien hinter ihm. »Zur Stelle, Herr Kommandeur!«
»Schuß durch den Kopf.«
»Wie du meinst, Herr Kommandeur…«
»Durch seinen Kopf! Mit meinem ist alles in Ordnung! Karotte, runter von dem Ding!«
»Ich kriege den Schädel nicht auf!«
»Wir versuchen es mit zwei Meter Stahl durchs Ohr, sobald du losläßt!«
Karotte erhob sich auf den Schultern des Königsgolems, wartete einen
geeigneten Zeitpunkt ab und sprang.
Der relativ weiche Hang eines Kerzenhügels milderte seinen Aufprall.
Ein Bein gab unter dem Hauptmann nach; er fiel, rollte und blieb
schließlich neben Dorfls reglosen Resten liegen.
»He, mal hierher sehen, Mister«, sagte Detritus.
Der Golem drehte sich um.
Später erinnerte sich Mumm nicht an die Einzelheiten, weil alles uner-
hört schnel ging. Verdrängte Luft rauschte, und der fast zwei Meter lan-
ge Stahlbolzen pral te mit einem lauten Kloink vom Ton ab und bohrte sich ins dicke Holz der Tür hinter dem Kommandeur.
Der Golem ging in die Hocke, und Karotte versuchte wegzukriechen.
Das Geschöpf hob die Faust und…
Mumm sah nicht einmal, wie sich Dorfls Arm bewegte, aber plötzlich
war er da und hielt den Königsgolem am Handgelenk fest.
Die kleinen Lichtsterne in Dorfls Augen explodierten.
»Tsssss!«
Der König zuckte verblüfft zurück, doch Dorfl hielt sein Handgelenk
weiter fest und zog sich auf das hoch, was von seinen Beinen übrigge-
blieben war. Auch seine Faust kam nach oben.
Die Zeit schien sich zu dehnen. Nichts rührte sich im ganzen
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