Hohle Köpfe
abkratzen, wenn’s
getrocknet ist. Dort entlang.«
Kurz darauf erreichten sie einen Saal, dessen Dunkelheit und Stille ei-
nen starken Kontrast zum Licht und Lärm auf dem Hof bildeten.
Mumm nahm den trockenen Grabesgeruch von alten Büchern und
Kirchtürmen wahr. Als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt
hatten, bemerkte er Flaggen und Fahnen an den hohen Wänden. Es gab
einige Fenster, aber die Spinnweben und toten Fliegen davor ließen nur
matte Gräue in den großen Raum hinein.
Der Alte ging und schloß die Tür hinter sich. Durch eins der Fenster
beobachtete Mumm, wie er auf den Hof hinkte, um sich dort wieder der
Aufgabe zu widmen, mit der er vorher beschäftigt gewesen war.
Er bemühte sich, ein lebendes Wappen zu konstruieren.
Mumm sah einen großen Schild. Kohlköpfe – echte Kohlköpfe – wa-
ren daran festgenagelt. Der Alte sagte etwas, das Mumm nicht hörte. Die
kleine Eule flatterte los und landete auf einem Henkelkreuz, das am obe-
ren Ende des Schilds befestigt war. Die beiden Nilpferde verließen den
Teich und bezogen zu beiden Seiten Aufstellung.
Der Alte baute eine Staffelei vor der Szene auf, stellte eine Leinwand
darauf, griff nach Palette und Pinsel. »Hopp-la!« rief er.
Die beiden Nilpferde richteten sich arthritisch auf, während die Eule
ihre Flügel ausbreitete.
»Lieber Himmel«, murmelte Mumm. »Und ich dachte immer, Wappen
werden einfach so gezeichnet.«
»Einfach so? Einfach so?« sagte eine Stimme hinter ihm. »Wir kämen
bald in Schwierigkeiten, wenn wir Wappen ›einfach so‹ zeichnen würden,
o ja, in große Schwierigkeiten.«
Mumm drehte sich um. Ein anderer kleiner Mann war hinter ihm er-
schienen und blinzelte glücklich hinter dicken Brillengläsern. Er trug
mehrere Schriftrollen unterm Arm.
»Es tut mir leid, daß ich dich nicht am Tor empfangen konnte, aber
derzeit haben wir hier besonders viel zu tun«, sagte der Mann und streck-
te die freie Hand aus. »Croissant Rouge Pursuivant.«
»Äh… du bist ein kleines rotes Frühstücksröllchen?« fragte Mumm
verwundert.
»Nein, nein. Es bedeutet Roter Halbmond. So lautet mein Titel. Ist
sehr alt und ehrwürdig. Ich bin ein Wappenherold. Und du bist Sir Sa-
muel Mumm, nehme ich an.«
»Ja.«
Roter Halbmond sah auf einer Schriftrolle nach. »Gut. Gut. Was hältst
du von Wieseln?« fragte er.
»Von Wieseln?«
»Wir haben einige, weißt du. Ich weiß, daß es eigentlich keine richtigen Wappentiere sind, aber wir führen sie auf der Stammrolle. Ich fürchte,
wir müssen sie irgendwo aussetzen, wenn wir niemanden finden, der sie
adoptiert. Und das würde Pardessus Chatain Pursuivant sehr verstim-
men. Er schließt sich immer im Schuppen ein, wenn er verstimmt ist.«
»Pardessus… Meinst du den Alten da draußen?« erkundigte sich
Mumm. »Äh… warum… Ich dachte immer… Ich meine, ein Wappen
muß doch nicht von einem lebendigen Muster abgemalt werden!«
Roter Halbmond wirkte schockiert. »Nun, wenn man dies alles der Lä-
cherlichkeit preisgeben will… ja, dann könnte man Wappen ›einfach so‹
malen. Wie dem auch sei…«, fuhr er fort. »Wiesel kommen also nicht in
Frage, wie?«
»Nein, lieber nicht«, entgegnete Mumm. »Das würde meiner Frau si-
cher nicht gefal en. Sie dachte vermutlich eher an Drachen…«
»Das dürfte wohl kaum in Frage kommen«, tönte eine Stimme aus der
Dunkelheit.
Eine solche Stimme hörte man nicht an einem hel en Ort. Sie war
staubtrocken und schien aus einem Mund zu kommen, der nie die Freu-
den von Speichel kennengelernt hatte. Sie klang tot.
Was genau der richtige Eindruck war.
Die Bäckereidiebe dachten über ihre Möglichkeiten nach.
»Ich hab die Hand an meiner Armbrust«, sagte der Kühnste.
»Tatsächlich?« erwiderte der Realistischste. »Und mir ist das Herz in die
Hose gerutscht.«
»Ooh«, fügte der dritte Dieb hinzu, » mein Herz ist ganz schwach…«
»Ja, aber ich meine… Er hat überhaupt kein Schwert. Wenn ich den
Wolf übernehme, solltet ihr beide mit ihm fertig werden, stimmt’s?«
Einer der klaren Denker musterte Karotte. Die Rüstung des Haupt-
manns glänzte. Ebenso die Muskeln an seinen bloßen Armen. Und die
Knie.
»Ich glaube, wir haben einen toten Punkt erreicht, wie?« bemerkte Ka-
rotte.
»Wie wär’s, wenn wir dir das Geld zuwerfen?« schlug der klare Denker
vor.
»Das würde die Situation verbessern.«
»Würdest du uns dann gehen lassen?«
»Nein. Aber es wäre ein Punkt, der
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