Hohle Köpfe
Beachtung schenken! Vielleicht lacht man sogar
über mich!«
»Früher oder später mußt du es hinter dich bringen. Also los.«
Ein untersetzter Mann mit blutiger Schürze öffnete die Tür. Verblüfft
stellte er fest, daß eine Zwergenhand nach seinem Gürtel griff, während
ihm die andere eine Dienstmarke vors Gesicht hielt. Auf der Höhe sei-
nes Nabels erklang eine Zwergenstimme. »Wir sind die Wache, klar? O
ja! Und wenn du uns nicht eintreten läßt, machen wir dich zur Schnecke
und so!«
»Nicht schlecht für den Anfang«, murmelte Angua. Sie hob Grinsi
hoch, stel te sie beiseite und wandte sich an den Schlachter.
»Herr Socke? Wir würden gern mit einem deiner Angestellten reden,
mit einem gewissen Herrn Dorfl.«
Der Mann hatte sich noch nicht ganz von der Überraschung namens
Grinsi erholt, doch es gelang ihm, sich wieder zu fassen. » Herr Dorfl?
Was hat er angestellt?«
»Wir möchten einfach nur mit ihm reden. Dürfen wir hereinkommen?«
Socke sah auf Grinsi hinab, die vor Nervosität und Aufregung zitterte.
»Bleibt mir eine Wahl?«
»Es kommt ganz darauf an, ob du zu einer optimistischen oder pessi-
mistischen Einstellung neigst«, erwiderte Angua.
Sie versuchte, den überaus verlockenden Duft des Blutes zu ignorieren.
Es gab auch eine Würstchenfabrik in der Nähe, wo al die Teile von Tie-
ren, die sonst niemand essen wol te, verarbeitet wurden – kaum jemand
hätte sie identifizieren können. Die Gerüche des Schlachthauses veran-
laßten den Magen eines Menschen, sich umzudrehen. Doch in Angua
richtete sich etwas auf, sabberte und bettelte, sehnte sich nach wunder-
vol blutigem Fleisch, von wem auch immer es stammte…
Angua schnupperte. »Ratten? Ich wußte gar nicht, daß du auch Zwerge
belieferst.«
Socke verwandelte sich plötzlich in jemanden, der behilflich sein woll-
te.
»Dorfl! Komm sofort her!«
Die beiden Wächter hörten das Geräusch von Schritten, und jemand
kam hinter einigen Rinderrümpfen zum Vorschein.
Manche Leute hatten etwas gegen Untote. Angua wußte, daß ihre Ge-
genwart Kommandeur Mumm mit Unbehagen erfül te, auch wenn er
sich neuerdings Mühe gab, es nicht so deutlich zu zeigen. Die meisten
Personen brauchten jemanden, dem sie sich überlegen fühlen konnten.
Die Lebenden haßten die Untoten, und die Untoten verabscheuten die –
Angua spürte, wie sich ihre Hände zu Fäusten bal ten – Leblosen.
Der Golem Dorfl schlurfte ein wenig, weil eins seiner Beine kürzer war
als das andere. Er trug keine Kleidung, denn er hatte nichts zu verber-
gen. Ganz deutlich waren jene Stel en zu sehen, die im Lauf der Jahre
mit frischem Ton… repariert worden waren. Das Flickwerk erwies sich
als so umfangreich, daß Angua überlegte, wie alt der Golem sein mochte.
Irgendwann einmal hatte jemand versucht, menschliche Muskulatur
nachzubilden, doch bei den anschließenden Instandsetzungen war auf
solche Ausschmückungen verzichtet worden. Das Ding sah aus wie die Töpfe, die Eruptiv verabscheute und die von Töpfern hergestellt wurden, nach deren Ansicht handgefertigte Objekte auch so aussehen mußten, als seien sie von Hand gefertigt. In Ton gebrannte Fingerabdrücke galten
als Echtheitszeichen und Gütesiegel.
Alles an Dorfl wirkte künstlich. Die meisten Reparaturen an seinem Leib hatte er selbst durchgeführt, eine nach der anderen. Seine dreiecki-gen Augen glühten. Sie enthielten keine Pupillen, nur das dunkelrote
Schimmern gefangenen Feuers.
In der einen Hand hielt der Golem ein großes, langes Hackbeil. Grinsis
Blick wurde davon angezogen; ihre Miene verriet entsetzte Faszination.
Aus der anderen Hand des Geschöpfs lief eine Schnur, die am Hals einer
großen, haarigen und ziemlich schlecht riechenden Ziege endete.
»Womit bist du beschäftigt, Dorfl?«
Der Golem nickte in Richtung der Ziege.
»Hast du die Judasziege gefüttert?«
Dorfl nickte erneut.
»Mußt du etwas erledigen, Herr Socke?« fragte Angua.
»Nein, ich…«
»Du mußt etwas erledigen«, betonte Angua.
»Ach? Äh… ja? Äh… ja. Na schön. Ich gehe und sehe nach den Inne-
reienkesseln…«
Der Schlachter wandte sich ab, verharrte kurz vor Dorfl und hob den
Zeigefinger dicht unter die Stelle, wo bei einem Menschen die Nase ge-
wesen wäre.
»Wenn du mir irgendwelche Probleme bescherst…«, begann er.
»Ich glaube, die Kessel erfordern dringend deine Aufmerksamkeit«,
sagte Angua.
Herr Socke eilte davon.
Es war still auf dem Hof, obwohl die
Weitere Kostenlose Bücher