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Hohle Köpfe

Hohle Köpfe

Titel: Hohle Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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besser
    denken. Unglücklicherweise beanspruchte eine Erkenntnis einen erhebli-
    chen Teil ihrer Denkkapazität: Sie war nackt. Wenn jemand eine nackte
    Frau in seinem Keller fand, stellte er bestimmt Fragen. Oder er hielt sich überhaupt nicht mit Fragen auf, nicht einmal mit »Bitte?«. Angua zweifelte nicht daran, daß sie mit einer solchen Situation fertig wurde, aber es
    war ihr lieber, Zwischenfäl e dieser Art zu vermeiden. Nachher war es
    immer so schwierig, die Form der Wunden zu erklären.
    Sie durfte keine Zeit vergeuden.
    Schriftzeichen bedeckten die Wände. Große und kleine Buchstaben,
    zweifellos von Golemhänden gemalt und gekratzt. Sie reichten vom Bo-
    den bis zur Decke, gingen ineinander über und übereinander hinweg. Es
    war fast unmöglich, in den einzelnen Wortgefolgen noch einen Sinn zu
    erkennen. Hier und da offenbarten sich Fragmente von Mitteilungen:
    … Du sol st nicht… Was er macht, ist nicht… Zorn auf den Schöp-
    fer… Wehe den Herrenlosen… Worte im… Ton von… Laßt mein…
    Bring uns die Freiheit…
    In der Mitte des Bodens waren abgewetzte Stel en zu sehen – dort
    schienen einige Leute immer wieder auf und ab gegangen zu sein. Angua
    ging in die Hocke, strich mit den Fingerkuppen über den Staub und
    schnupperte an ihnen. Auch diese Gerüche waren sehr stark und nicht
    schwer zu identifizieren. Immerhin roch ein Golem nur nach Ton und
    nach den Dingen, mit denen er bei der Arbeit in Berührung kam…
    Ihre Finger berührten etwas. Ein kleines Stück Holz, einige Zentimeter
    lang: ein Streichholz ohne Kopf.
    Sie suchte und fand zehn weitere Streichhölzer im Staub, als hätte sie
    jemand achtlos fallen gelassen.
    Ein halbes Streichholz lag ein ganzes Stück abseits von den anderen.
    Angua sah jetzt nicht mehr so gut wie unmittelbar nach dem Wechsel
    ihrer Gestalt, aber der Geruchssinn bewahrte seine Schärfe länger. Die
    Gerüche von dem Holz erwiesen sich ebenfal s als sehr stark, und sie
    entsprachen denen der Fährte. Der Schlachthausgeruch, den Angua mit
    Dorfl in Verbindung brachte, klebte an dem halben Streichholz.
    Sie hockte sich auf die Fersen und betrachtete den Haufen aus kleinen
    Holzstäbchen. Zwölf Personen (zwölf Personen, die schmutziger Arbeit
    nachgingen) hatten sich hier für kurze Zeit versammelt. Eine… Diskus-
    sion hatte stattgefunden – darauf deuteten die vielen Worte an der Wand
    hin. Dann hatten die zwölf irgend etwas mit elf ganzen Streichhölzern
    (ohne Kopf; wahrscheinlich waren die Stäbchen nicht in Schwefel ge-
    taucht worden. Arbeitete der nach Kiefernharz riechende Golem in einer
    Streichholzfabrik?) und einem halben angestel t.
    Anschließend verließen sie den Kel er und gingen dorthin zurück, wo-
    her sie gekommen waren.
    Abgesehen von Dorfl. Er kehrte nicht zum Schlachthaus zurück, son-
    dern marschierte zum Wachhaus, um sich dort zu stellen.
    Warum?
    Erneut schnupperte Angua an dem halben Streichholz. Kein Zweifel.
    Es roch eindeutig nach Blut und Fleisch.
    Dorfl hatte ein Mordgeständnis abgelegt…
    Sie sah zu den Worten an der Wand und schauderte.

    »Zum Wohl, Fred«, sagte Nobby und hob seinen Krug.
    »Morgen legen wir das Geld in die Teebüchse zurück«, erwiderte Feld-
    webel Colon. »Bestimmt merkt niemand, daß es fehlt. Dies fäl t eindeutig
    in die Kategorie ›Notfall‹.«
    Korporal Nobbs starrte niedergeschlagen in sein Bier. Das geschieht in
    der Geflickten Trommel recht häufig, wenn der erste Durst gelöscht ist und man Zeit genug hat, herauszufinden, was man eigentlich trinkt.
    »Was sol ich bloß machen ?« stöhnte er. »Wenn man zum Adel gehört, muß man Kronen und bestickte Umhänge tragen und so. Kostet einen
    Haufen Geld, so’n Zeug. Außerdem muß man sich auf ganz bestimmte
    Weise verhalten.« Er trank einen großen Schluck. »Man nennt so was
    Noppelleß Obliech. «
    »Nobbleß Oblidsch«, berichtigte Colon. »Ja. Es bedeutet, daß man seinen Pflichten in der feinen Gesel schaft gerecht werden muß. Man spendet
    Geld für karika… kari… für wohltätige Zwecke. Man ist freundlich zu
    den Armen. Man gibt die alte Kleidung dem Gärtner, solange sie noch
    was taugt. Darüber weiß ich Bescheid. Mein Onkel war Diener bei der
    alten Lady Selachii.«
    »Ich hab gar keinen Gärtner«, erwiderte Nobby kummervoll. »Auch
    keine alte Kleidung, abgesehen von der, die ich selbst trage.« Er trank.
    »Sie gab ihre Sachen dem Gärtner?«
    Colon nickte. »Ja. Kam uns immer ein wenig komisch vor, der

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