Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hohle Köpfe

Hohle Köpfe

Titel: Hohle Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
entschuldige bitte, aber… du und Hauptmann Karotte…«
    Angua wartete höflich.
    »Seid ihr… äh…«
    »Ja«, sagte Angua und gab dem Mitleid nach. »Wir sind äh. Trotzdem wohne ich in Frau Kuchens Pension, weil man in so einer Stadt seinen
    eigenen Platz braucht.« Und eine Hauswirtin, die besondere Bedürfnisse
    versteht, fügte sie in Gedanken hinzu. Zum Beispiel Türklinken, die auch
    für Pfoten geeignet waren, und ein offenes Fenster bei Vol mondnäch-
    ten. »Man braucht einen Ort, wo man sich selbst entfalten kann. Außer-
    dem riecht’s im Wachhaus nach alten Socken.«
    »Ich wohne bei meinem Onkel Armwürger«, sagte Grinsi. »Dort ist es
    nicht sehr gemütlich. Sie reden fast dauernd über Bergwerksarbeit.«
    »Und das gefällt dir nicht?«
    »Ach, es geht ständig ›Ich grabe in der Grube, und ich zeche in der Ze-
    che‹ und so«, erwiderte Grinsi in traurigem Singsang. »Anschließend wird
    über Gold gesprochen, was viel langweiliger ist, als die meisten Leute
    glauben.«
    »Ich dachte, Zwerge lieben Gold«, sagte Angua.
    »In den meisten Fäl en geht es nur darum, die Tradition zu bewahren.«
    »Bist du ganz sicher, daß du zum Volk der Zwerge gehörst? Entschul-
    dige. War nur ein Scherz.«
    »Bestimmt gibt es interessantere Dinge als Gold. Zum Beispiel Frisu-
    ren. Oder Kleidung. Leute.«
    »Meine Güte. Meinst du etwa Mädchendinge ?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete Grinsi. »Bisher habe ich keine Mädchen-
    dinge kennengelernt. Nur Zwergendinge.«
    »So ähnlich ist es auch in der Wache«, sagte Angua. »Man kann jedes
    Geschlecht haben, vorausgesetzt, man verhält sich wie ein Mann. In der
    Stadtwache gibt es keine Männer und Frauen, nur Kumpel und Kol egen.
    Die besondere Sprache lernt man schnel . Im großen und ganzen geht es
    darum, wieviel Bier man am vergangenen Abend geschlürft hat, wie
    scharf die Currygerichte gewesen sind und wo man sich schließlich über-
    geben hat. Denk einfach wie ein Macho, dann hast du den Dreh bald
    raus. Außerdem mußt du im Wachhaus auf Witze mit… sexuellem Hin-
    tergrund gefaßt sein.«
    Grinsi errötete.
    »Obwohl… in letzter Zeit nur noch sehr selten«, sagte Angua.
    »Wieso? Hast du dich beschwert?«
    »Nein, es hat aufgehört, nachdem ich mich aktiv daran beteiligt habe«,
    erklärte Angua. »Und weißt du was? Die Männer lachten überhaupt
    nicht. Nicht einmal, als ich die Worte mit Gesten erläuterte. Ich halte das eigentlich für unfair. Die meisten Handbewegungen erschienen mir recht
    harmlos.«
    »Es nützt alles nichts, ich muß ausziehen.« Grinsi seufzte. »Ich fühle
    mich… fehl am Platz.«
    Angua sah auf die neben ihr gehende Zwergin hinab und erkannte die
    Symptome. Jeder brauchte einen Freiraum, so wie sie selbst, und
    manchmal existierte dieser Platz nur im Kopf. Seltsamerweise mochte sie
    Grinsi, vielleicht wegen ihrer Ernsthaftigkeit. Möglicherweise auch des-
    halb, weil sie außer Karotte die einzige Person war, die ihr gegenüber
    weder Furcht noch Unbehagen zeigte. Weil sie nicht Bescheid wußte. Angua wollte Grinsis Unwissenheit wie ein kostbares Gut bewahren, doch
    sie begriff auch, daß die Zwergin einen Wechsel in ihrem Leben nötig
    hatte.
    »Wir sind nicht weit von der Ulmenstraße entfernt«, sagte sie. »Was
    hältst du von einem kurzen Abstecher zu meiner Unterkunft? Ich habe
    da einige Sachen, die ich dir leihen könnte…«
    Ich brauche sie nicht, dachte Angua. Wenn ich aufbreche, kann ich
    ohnehin kaum etwas mitnehmen.

    Obergefreiter Abfluß starrte in den Nebel. Auf der Liste der Dinge, die
    er besonders gut konnte, kam Starren an zweiter Stelle, direkt nach reg-
    los Hocken. Auch Lautlosigkeit gehörte zu seinen besonderen Eigen-
    schaften. Er brachte immer dann gute Leistungen, wenn es darum ging,
    nichts zu tun. Einfach wie erstarrt dasitzen – das war seine größte Stärke.
    Hätte es einen Aufruf zur Weltmeisterschaft im Nichtbewegen gegeben,
    wäre Obergefreiter Abfluß nicht einmal am Wettkampfort erschienen.
    Das Kinn auf die Hände gestützt, starrte er in den Nebel.
    Nur wenige Wolken schwebten am Himmel. Das Licht des Mondes
    glänzte ungefiltert herab. In seinem Schein und aus der Höhe von sechs
    Stockwerken betrachtet, wirkte der Nebel wie ein kaltes, frostiges Meer.
    Hier und da ragte ein Turm daraus hervor. Alle Geräusche waren ge-
    dämpft und krochen nicht weit. Mitternacht kam und ging.
    Obergefreiter Abfluß starrte und dachte an Tauben.
    Er hatte nur wenige Wünsche in seinem

Weitere Kostenlose Bücher