Hokus Pokus Zuckerkuss
Herzen zu reden.
»Was? Hast du gerade gefragt, ob sie hübsch ist?«
»Nein«, lüge ich hastig, »ob sie geistreich und witzig ist. Chaz mag nämlich nur geistreiche, witzige Mädchen. Weil er so – schlau ist.«
O Gott. Was stimmt denn schon wieder nicht mit
mir? Wieso mache ich mir deshalb Gedanken? Es ist möglich – okay, wahrscheinlich –, dass ich drauf und dran bin, mit meinem Verlobten, dem Mann meiner Träume, Schluss zu machen. Wieso rege ich mich dann darüber auf, dass Shari ein Mädchen aus ihrem Büro mit Chaz zusammenbringen will?
Ich bin mit Chaz’ bestem Freund verlobt. Selbst wenn wir uns gerade eine Auszeit nehmen.
»Großartig, ich freue mich auf die Party«, beteuere ich mit erzwungenem Enthusiasmus.
»Gut, dann sehen wir uns am 4. Juli. Gegen sieben?«
»Einverstanden.« Nachdem Shari mich ein weiteres Mal gefragt hat, ob es mir gut geht, versichere ich ihr, ja, ganz bestimmt. Obwohl es nicht stimmt. Dann verabschieden wir uns, und ich lege auf. »O Scheiße«, flüstere ich und erinnere mich erst wieder an Gran, als ich sie atmen höre.
»Ja.« Ihre mürrische Stimme gellt in meinem Ohr. »Da bin ich immer noch. Oder hast du mich vergessen? Deine Grandma?«
»Tut mir so leid, das war Shari.«
»Klar, ich weiß«, erwidert sie in gelangweiltem Ton. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum hast du’s noch immer nicht mit ihm getrieben?«
»Ich hatte diese Frage schon beantwortet. Weil ich mit seinem besten Freund verlobt bin.«
»Welche Rolle spielt das denn? Wenn’s richtig ist, dann ist es richtig. Und mit dem wär’s richtig.«
»Wieso weißt du das, Gran?«, seufze ich müde.
»Weil ich schon ein bisschen länger lebe als du. Also, was wirst du in dieser Sache unternehmen?«
»Nichts, Gran. Er hat eine neue Freundin, sehr hübsch und klug. Und sie heißt Valencia.«
»Ist das nicht eine Orangensorte?«
»Gran, du verstehst schon, was ich meine. Sie passt perfekt zu ihm.«
»So?« Jetzt klingt ihre Stimme beleidigt. »Und du etwa nicht?«
»Nein, Gran«, sage ich verzweifelt, »ich nicht – ich bin nur – ich – ich …«
Was soll ich hinzufügen? Es gibt nichts mehr zu sagen. Ausnahmsweise fehlen mir die Worte. Wie könnte ich ihr erklären, warum Valencia so perfekt zu Chaz passt – eigentlich zu jedem Mann – und ich nicht?
Gran hilft mir aus der Klemme. »Ja, ja, ja, ich weiß, du bist verlobt. Das habe ich gehört. Verlobt ist nicht verheiratet. Verlobt bedeutet nicht tot . Hör mal, ich muss Schluss machen. Gleich fängt meine Sendung an. Ich habe sie zwar schon gesehen. Alle habe ich schon gesehen. Aber das ist eins der guten Dinge, wenn man alt wird. Man kann sich nicht erinnern, wie diese oder jene gottverdammte Episode ausgeht. Wir reden später noch einmal.«
Wir legen auf, und ich drehe mich zu Ava um, die mich gekränkt ansieht.
»Gehst du am 4. Juli irgendwohin?«, fragt sie traurig.
Bis ich ihre Worte registriere, dauert es eine Weile. Dann schüttle ich den Kopf. »Nur zu einem Barbecue.
Bei meiner besten Freundin. In Brooklyn.« Als sie immer noch so deprimiert dreinschaut, füge ich hinzu: »Wenn du willst, kannst du mitkommen, Ava. Aber – hast du keine anderen Pläne? Ich meine, der 4. Juli ist erst in einer Woche. Sicher bekommst du bis dahin eine bessere Einladung.« Und, bitte, bitte, dann wirst du nicht mehr bei mir wohnen.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht. Ist Chaz auch da?«
»Ja …«, sage ich zögernd. Worauf will sie hinaus?
»Den wollte ich schon immer kennenlernen. Weil du so viel über ihn redest. Vielleicht komme ich mal vorbei. Oh, da ist er !«, ruft sie und zeigt mit einem manikürten Finger auf den TV-Bildschirm.
Und da genieße ich zum ersten Mal das Privileg, DJ Tippycat zu erblicken. Er sieht erstaunlich normal aus – ziemlich klein, mit schütterem Haar und einem T-Shirt, auf dem das Wort »Wonderbread« steht. Wäre Shari hier, würde sie ihn einen Niemand nennen.
»Wow«, sage ich. »Der ist – so …«
»Ich weiß«, seufzt Ava. »Ist er nicht richtig heiß ?«
Und da merke ich, dass man über Geschmack nicht streiten kann. Zumindest nicht, wenn es um DJs – und wahrscheinlich auch Prinzen geht.
Oder um Philosophiedoktoranden.
EINE KURZE GESCHICHTE DER EHE
Im Mittelalter stellten Hochzeiten nicht nur die Vereinigung eines Mannes und einer Frau dar, sondern auch die Verbindung zweier Familien oder sogar zweier Länder. Deshalb musste sich die Braut möglichst eindrucksvoll kleiden und
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