Hollisch verliebt
hatten nichts Persönliches zurückgelassen.
War ja klar.
„Du, Riley“, rief Mary Ann. Ihre Stimme überschlug sich.
Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, spürte er ihre Angst. Er fuhr hoch, drehte sich zu ihr um und erstarrte. Der Atem gefror ihm in den Lungen.
„Mary Ann. Komm her, ganz langsam.“
Sie stieß einen erstickten Laut aus. „Kann nicht.“
„Du gibst hier keine Befehle, Junge. Dafür bin ich zuständig“, sagte der Mann hinter Mary Ann. Er hielt eine Pistole auf ihren Kopf gerichtet.
Er war groß, blond und schlank. Unter den aufgerollten Ärmeln seines Flanellhemds waren Tätowierungen zu sehen. Schutzzeichen. Wogegen, konnte Riley nicht erkennen. Noch nicht. Er musste sich das näher ansehen. Deutlich zu erkennen dagegen war die Wut, die von dem Mann ausging wie wilde dunkle Wellen. Er würde schießen, und es wäre ihm egal, wenn er Leichen zurückließ.
Riley verfluchte sich selbst dafür, dass er Mary Ann nicht beigebracht hatte, wie sie in einer solchen Situation reagieren sollte. „Wenndu ihr etwas tust, bringe ich dich um“, erwiderte er ruhig. Das war keine leere Drohung.
Ähnliches und mehr hatte er schon getan. Er hatte noch nie grundlos zugeschlagen, aber er hatte niemals einfach alles hingenommen.
„Das dürfte dir etwas schwerfallen, wenn du tot bist, oder.“ Keine Frage, eine Feststellung. „Aber keine Angst, ich mache es schnell.“
Das Traurige war, dass Riley nichts tun konnte. Er konnte sich nicht richtig verteidigen. Hätte er seine Wolfsnatur nicht eingebüßt, er hätte den Mann ins Haus kommen hören. Oder ihn zumindest gerochen. Stattdessen hatte er zugelassen, dass jemand seine Exfreundin bedrohte. Nun ja, irgendwie hatte er es ja verdient.
Nur Mary Ann nicht, sie hatte nichts davon verdient. Nicht … seine ehemalige Freundin. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er über sie dachte, als würde sie nicht mehr zu ihm gehören. Nie zuvor hatte er so über sie beide gedacht.
Der Mann drückte ihr die Pistole gegen den Kopf und schob sie nach vorn. Sie stolperte ins Zimmer.
„Es tut mir so leid“, flüsterte sie. Tränen traten ihr in die Augen. „Er hat sich angeschlichen, und ich …“
„Halt die Klappe, Kleine. Ich will nichts mehr von dir hören.“
Als Mary Ann endlich nah genug war, nahm Riley ihren Arm und zog sie hinter sich. Zitternd griff sie nach seiner Hand. Aber er hatte keine Zeit, sie zu trösten. Wenn er ihr Schutzschild sein wollte, musste er sie ganz loslassen. Sie hatte die Hände flach auf seinen Rücken gelegt, und für einen kurzen Augenblick krallte sie sich in seinem T-Shirt fest. Schließlich ließ sie ihn ebenfalls los und trat neben ihn.
Riley stellte sich vor sie und starrte den Mann mit der Waffe finster an. Der Mensch, etwa genauso groß wie Riley mit seinen eins neunzig, hatte der kleinen Szene mit unbewegter Miene zugesehen, als erlebte er so was alle Tage.
„Bist du Joe Stone?“
In den Augen des Mannes blitzte Überraschung auf, aber statt zu antworten, stellte er eine Gegenfrage. „Seid ihr bei meinen Nachbarn eingebrochen und habt alles mit Blut verschmiert?“
„Ja“, antwortete Riley. „Und?“
„Und?“ So viel Offenheit brachte den Mann kurz aus dem Konzept.
„Wer seid ihr, und was habt ihr in meinem Haus zu suchen?“
Sollte er dieses Mal die Wahrheit sagen oder lügen? Wer war dieser Typ überhaupt? Er hatte Adens Haarfarbe und das gleiche kantigeKinn, aber das hatten Tausende. Abgesehen davon sah er ihm nicht ähnlich.
Der Mann hatte ein grobschlächtiges Gesicht, seine Nase war ein wenig schief, als wäre sie einige Male gebrochen gewesen. Über seine Wangen zogen sich feine zackige Narben. Aden hatte ein Gesicht wie ein Engel, das kein bisschen grobschlächtig wirkte.
„Ich habe dich etwas gefragt, Junge.“
„Und ich habe nicht geantwortet.“ Reiz ihn nicht zu sehr. Schließlich konnte er seinen Wolf nicht zum Spielen rauslassen.
Ein neuer Gedanke für Riley. Tatsächlich war er älter als dieser Mann. Früher wäre er auch stärker gewesen. Deutlich stärker und deutlich böser. Und jetzt? War er nur noch jämmerlich.
„Wir kennen Ihren Sohn“, sagte Mary Ann seelenruhig. „Aden. Haden, meine ich. Alle nennen ihn Aden.“
In der steinernen Miene ihres Gegenübers regte sich kein Muskel. Schlimmer noch, er hielt die Waffe ohne jedes Zittern auf sie gerichtet, was zeigte, wie stark er war. Jedem anderen wäre sie schon zu schwer geworden. „Ich habe keine Ahnung, was du da
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