Hollisch verliebt
Zimmer mit einem Einwegspiegel, durch den man den Ballsaal beobachten konnte. Natürlich wand sich auf dem Sofa ein junges Vampirpärchen. Victoria musste sich erst räuspern, damit die beiden aufmerksam wurden. Sie sprangen auseinander und brachten errötend ihre Kleidung in Ordnung.
„Ähm, hallo, Prinzessin, was macht du …“, setzte der männliche Vampir an.
„Raus“, befahl Victoria, und das Pärchen gehorchte sofort. Als sie gegangen waren, schloss Victoria die Tür. Sie straffte die Schultern und drehte sich zu den Menschen um. Dabei wirkte sie so begeistert, als handelte es sich um ein Erschießungskommando. „Ihr habt bestimmt ein paar Fragen.“
Alle drei legten gleichzeitig los.
„Ich habe g…geschlafen, und p…plötzlich war da dieser riesige V…Vampir …“
„… war gerade beschäftigt, und auf einmal sehe ich Fangzähne. Fangzähne! Ich habe mir fast in die Hose gemacht. Sie haben mich gezwungen …“
„… Gästezimmer oder so was für mich? Ich habe keine Lust mehr, ständig zu pendeln, und habt ihr die große Rothaarige gesehen, die mit den riesigen …“
„… w…was f…für ein Ding ist da aus A…Aden gekommen? Ein D…Drache? Es ist einfach aus ihm r…raus …“
„… von dem Seil aufgescheuert. Wenn ich Narben bekomme, verklage ich euch. Mache ich vielleicht sowieso. Dan wird mich umbringen. Wenn deine blutdürstigen Freunde nicht vorher an mir knabbern. Das ist meine letzte Chance, weißt du. Und dieses Mal bin ich überhaupt nicht schuld. Warum zum Teufel …“
„… oder wenigstens die Brünette. Du bist mir was schuldig. Du bremst mich total aus, so komme ich ja nie zum Stich.“
Schweigen.
Na schön. Wo sollte sie anfangen? Am besten beim Grundlegenden.
„Ich bin eine Vampirin.“ Es war seltsam, mit Menschen über ihr Volk zu reden. Und sogar unter Androhung der Todesstrafe verboten. Zumindest konnte einem die Ewigkeit im Kerker blühen, abgeschnitten vom Rest der Welt.
Dieses Schicksal hätte ihrer Mutter gedroht, wenn Victoria nicht für ihre Freilassung gesorgt hätte. Und was tut sie? Besucht mich nicht einmal. Das machte ihr jeden Tag mehr zu schaffen. Vielleicht weil sie sich immer neue Gründe dafür überlegte. Sie war nicht gut genug. Ihre Mutter mochte sie nicht mehr. Sie war eine Enttäuschung auf ganzer Linie.
Ob Aden sich auch so fühlte, wenn er an seine Eltern dachte? Verlassen, vergessen, ungeliebt? Wahrscheinlich. Damit hatten sie noch etwas gemeinsam.
„Das ganze Haus ist voller Vampire, das habt ihr ja gesehen“, fuhr sie fort. „Aber ihr wisst noch nicht, dass Aden unser neuer König ist. Er hat mit meinem Bruder gekämpft, um die Krone zu behalten. Und gewonnen.“
„Ja, geil!“ Seth hob die Hand, um bei jemandem abzuklatschen.
Die beiden anderen sahen ihn nur an.
„Was denn?“
„Das Monster, das ihr gesehen habt, ist …“ Wirklich schwer zu erklären. „So etwas tragen alle Vampire in sich.“
„Ach du Scheiße. Aden ist ein Vampir?“ Ryders Augen wurden groß wie Untertassen.
„Ja.“
Grinsend streckte Shannon ihm eine Hand entgegen. „Habe ich d…dir doch gesagt. Du sch…schuldest mir ’nen F…Fünfer.“
„Ihr habt darauf gewettet?“, fragte Victoria fassungslos.
„Nicht darauf. Ich habe g…geahnt, dass du anders b…bist. Wie du gehst und redest ist total verräterisch.“ Er grinste sie breit an. „Undvor allem, wie d…du dich nachts in unser Zimmer auf der Ranch schleichst.“
Das versetzte Victoria einen herben Schlag. Sie hatte sich so bemüht, sich anzupassen, und dabei grandios versagt. „Wie gehe ich denn? Und wie rede ich?“
„Du gleitest.“ Seth zuckte anerkennend mit den Augenbrauen. „Und du sprichst … mit Akzent.“
Mit Akzent. War das die höfliche Umschreibung für „gruslig“? „Wie geht es Dan?“, erkundigte sie sich. Ob er sich immer noch Vorwürfe machte?
„Er ist ziemlich schlecht drauf“, antwortete Seth.
„Und macht sich Sorgen“, fügte Ryder hinzu.
Shannon zuckte mit den Schultern. „Und er fühlt sich irgendwie schuldig.“
Klar, er machte sich noch Vorwürfe. „Wenn Aden euch zur Ranch zurückbringt, kann er vielleicht mit Dan reden.“ Sie wusste, dass Aden Respekt vor Dan hatte und wie wichtig es ihm gewesen war, die Highschool zu beenden. Das hatte er sich fest vorgenommen. Bis Victoria ihm das Leben gerettet und sein ganzes Wesen verändert hatte.
Ob er die Entscheidungen der letzten Tage irgendwann bereuen würde? Sie hoffte nicht. Mehr
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