Hollisch verliebt
müsste heilen. Aber die Hexe hatte das Zeichen auf Mary Anns Rücken gesehen und darauf gezielt. Sie hatte genau die Stelle getroffen, an der sie eine übernatürliche Heilung verhindern konnte: die Mitte des Zeichens. Die Wörter waren auseinandergerissen, der Schutz aus Tinte hatte seine Wirkung verloren.
In diesem Moment war Mary Ann wieder genauso verletzlich wie jeder normale Mensch. Abgesehen von …
„Nimm Energie von mir“, sagte er, während er den besten Fluchtweg berechnete. Anfangs war er durchs Haus gegangen und hatte sich alle Ausgänge eingeprägt, aber er wusste nicht, ob die Hexen das Haus umstellt hatten. Falls ja, würden sie sofort wieder schießen, wenn er Mary Ann hinaustrug.
„Nein“, ächzte sie.
„Doch. Du musst. Du musst.“ Seine Energie würde ihr Kraft geben. Sicher, er würde schwächer werden, aber sie konnte die Hexen besser ausschalten als er. Alle gleichzeitig, nicht eine nach der anderen. Außerdem war es nur richtig so. Wegen dieser Fähigkeit hatten ihre Feinde sie immerhin durchlöchert. „Nimm von mir Energie und töte sie.“
„Nein.“ Sie war wirklich unglaublich stur.
„Wenn du das nicht tust, bringen sie dich um.“
„Nein.“
Riley hatte genug diskutiert. Er zog die restlichen Sachen aus und nahm seine Wolfsgestalt an. Seine Knochen passten sich an, aus seinen Poren wuchs Fell. Das alles war ihm so vertraut, dass es ihm eher wie das Rekeln nach einem Nickerchen vorkam, nicht wie eine Verwandlung in etwas Neues.
So sanft er konnte, was nicht besonders sanft war, nahm er Mary Anns Arm zwischen die Zähne und brachte sie dazu, auf seinen Rücken zu steigen.
Wieder zischte ein Pfeil über sie hinweg und verpasste sie nur knapp. Halt dich fest , befahl er ihr in Gedanken, während er aus dem Wohnzimmer lief.
„Mach … ich“, sagte sie zähneklappernd.
Er war ein verdammter Idiot. Sie hätte die Wärme durch ihre Kleidung gebraucht, aber er konnte nichts über die Wunde ziehen, und er konnte ihre Bluse nicht im Maul mitschleppen. Im Moment waren seine Zähne seine einzige Waffe.
Jetzt hätte er Tucker wirklich gut brauchen können. Unglaublich, dass er so etwas dachte. Aber ein, zwei Illusionen hätten ihnen jetzt wirklich geholfen.
Da ihm keine andere Wahl blieb, sprang Riley durch die Hintertür. Ohne langsamer zu werden, sprang er durchs berstende Sperrholz. Im Zickzack huschte er von der Veranda, um kein leichtes Ziel abzugeben. Eine gute Entscheidung, denn es hagelte Pfeile.
Wie viele Hexen waren hier draußen? Auf jeden Fall nicht nur Jennifer und Marie.
„Tut weh“, stöhnte Mary Ann.
Ich weiß, Liebes. Er sprach in ihren Gedanken. Ich würde dir die Schmerzen abnehmen, wenn ich könnte.
Ein Pfeil traf ihn in den linken Vorderlauf. Er knurrte vor Schmerz, aber er wurde nicht langsamer und wagte nicht, aus dem Tritt zu kommen. Sonst wäre Mary Ann heruntergefallen, und das konnte er nicht zulassen. Noch schlimmer wurde es durch den Kies, der ihm in die Pfoten schnitt. Ein schneller Rundblick zeigte ihm elf Auren. Alle orange, alle matt. Offenbar hatten sie versucht, sich mit einem Zauber vor ihm zu verbergen. Tja, das hatte wohl nicht ganz geklappt.
Er fixierte die Hexe, die am weitesten von den anderen entfernt stand, und rannte auf sie zu. Mitten im Lauf packte er sie mit den Zähnen und riss sie mit sich. Sie wehrte sich, trotzdem hielt er das Tempo. Immer weiter trug er die beiden Frauen, ganz, ganz vorsichtig.
Nimm ihr die Energie , befahl er Mary Ann. Schnell!
Sie musste auf ihn gehört haben, denn die Hexe wurde schwächer, bis sie sich nicht mehr wehrte. Als sie nur noch wie ein Lumpensack in seinem Maul hing, spuckte er sie aus, immer noch in vollem Lauf.
Besser?
„Etwas.“
Er würde sie in Sicherheit bringen und ihre Wunde versorgen. Und dann würde die Jagd beginnen. Er würde nicht mehr mit Mary Ann vor den Hexen und Elfen davonlaufen. Diesen Fehler, seinen größten bisher, würde er nicht noch einmal machen.
Bald würden die Jäger die Gejagten sein.
18. KAPITEL
Vom höchsten Ast einer Eiche aus sah Tucker zu, wie der Wolf mit Mary Ann davonlief. Sie zogen eine Blutspur hinter sich her, der ein Blinder hätte folgen können. Der Wolf schwankte unsicher, und Mary Ann war vollkommen schlaff. Lange würde sie nicht durchhalten.
Der Wolf konnte Auren lesen, Tucker hingegen erkannte den Sirenengesang des Todes. Ohne Zweifel schwamm Mary Ann dem sprichwörtlichen Sensenmann entgegen, und nichts konnte sie aufhalten.
Die
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