Holly greift nach den Sternen
immer versucht hat, sich bei den Produzenten einzuschleimen, damit du längere Auftritte kriegst.«
»Das ist eine hundsgemeine Lüge! Nimm das zurück!«
Holly streckte ihm die Zunge raus. »Zwing mich doch!«
»Bring mich bloß nicht in Versuchung«, fauchte George.
Er benahm sich total schwul und wahrscheinlich hatte sie das laut gesagt, denn alle drei starrten sie an, als hätte sie eine Enthauptung auf dem Trafalgar Square angekündigt.
»Aber du bist doch schwul.« Holly zog einen Schmollmund. »Und du benimmst dich auch so. Wie konnte nur irgendwann jemand auf die Idee kommen, du wärst ein Hetero?«
»Du benimmst dich viel schwuler als ich«, bellte George entrüstet. »Du bist so schwul wie...«
»George, Schatz, halt verdammt noch mal die Klappe.« Benji lächelte beide an und wandte sich dann an Candy. »Ach, schweigen kann wunderschön sein, findest du nicht auch?« Dann streckte er die Hand aus. »Holly, wie schön, dich zu sehen.«
Es war nur gut, dass Benji in einer Boygroup mitspielte, denn bei seinem Aussehen standen ihm nicht viele andere Möglichkeiten offen. Er war wie eine winzige, voll bewegliche Porzellanpuppe mit Rehaugen, zarten Gesichtszügen und einem Bürstenhaarschnitt, der ihn noch zierlicher wirken ließ. Als ob ihn ein grobes Wort oder ein Windstoß umschmeißen könnte.
»Oh, und übrigens: danke für das Outen, du Miststück«, setzte er hinzu. Offensichtlich war er viel taffer, als er aussah.
»Das ist einfach so passiert.« Holly seufzte und zuckte mit den Achseln. »Tut mir leid, wenn ihr dadurch Unannehmlichkeiten hattet.«
»Das war das Beste, was mir jemals passiert ist.« Benji grinste. »Ich überlege gerade, ob ich eine Solokarriere starten soll.«
»Schwulsein ist eben in«, sagte Candy verschmitzt. Sie betrachtete Holly mit zufriedenem Grinsen. »Was für eine Spitzenidee von mir, dich wieder mit George zusammenzubringen.«
»Wir sind nicht zusammen«, protestierten beide wie aus einem Mund.
»Ach, lasst doch den Scheiß«, winkte Candy ab. »Einmal Hollywoodschmus - immer Hollywoodschmus, was? Wie schade.«
Holly saß kerzengerade da (was anstrengend war, weil sie auf dem Fußboden hockte), mit funkelnden Augen wie eine wütende Katze aber George stieß plötzlich den angehaltenen Atem aus und dann folgte ein gurgelndes Gelächter. »Ich kann nicht mehr so tun, als ob ich sauer wäre«, kicherte er. »Wenn ich gewusst hätte, wie es meiner Karriere nützen würde, hätte ich mich schon vor Jahren geoutet. Zum Beispiel damals, als ich von meinem Schuldirektor im Umkleideraum beim Fummeln mit dem Mittelstürmer erwischt wurde.«
George erzählt immer Intimitäten, die keiner wissen will, dachte Holly säuerlich, während er ihre Hand besänftigend tätschelte.
»Ach, nun mach doch mal ein freundliches Gesicht, Holly«, bekniete er sie. »Es tut mir echt leid, dass du es so schwer gehabt hast, aber...«
»Es war meine eigene Schuld«, beendete Holly den Satz. »Weil ich eine ehrgeizige, karrieregeile Pressehure war, die sich das alles selbst eingebrockt hat. Jaja, die Leier kenn ich schon.«
Aus den Augenwinkeln sah Holly, wie Candys Lippen in Benjis Richtung die Wörter »totale Dramaqueen« formten, aber George kuschelte sich an sie, als wäre sie ein lebensgroßes Plüschtier, das er gerade auf dem Jahrmarkt bei der Tombola gewonnen hatte.
»Weißt du, ich war schrecklich wütend auf dich, aber als ich den Artikel in der Sunday Style gelesen habe, fiel mir plötzlich alles wieder ein. Ich hab gedacht, ich wüsste alles, was hinter den Kulissen von Hollys Haus abging, aber eigentlich hatte ich gar keine Ahnung. Und die Leute, die Bescheid wussten, hielten dicht, weil es ihnen Mäuse einbrachte«, sagte George leise, und er sah ohne seine spöttische Miene fast liebenswert aus. »Es ist ein Wunder, dass du in dieser Welt überhaupt irgendwie klarkommst. Und könntest du mal aufhören, so traurig auszusehen, als täte dir immer noch alles weh? Es ist vorbei. Pffft. Jetzt weiß die Welt, dass es mich gibt, ich bin schwul und ich krieg vielleicht die Hauptrolle in Reeds Film.«
Holly sah sofort nicht mehr traurig aus - als hätte jemand den Tränenschalter in ihrem Kopf abgestellt.
»Was?«, fragte sie und stieß George weg, denn, hallo-o, wollte George sich etwa an ihn ranmachen? Sie sah Candy aus schmalen Augen an. »Und wann wolltest du mir das erzählen?«
»Reed liebt George, aber nicht als Schwuler.« Candy tippte mit dem Finger auf die Menükarte.
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